Runlandsaga - Sturm der Serephin
er den größten Teil seiner Seemannsjahre im Süden verbracht, wo die Handelsschiffe der vier Stadtstaaten kreuzten und es selbst zur winterlichen Jahreszeit manchmal wärmer war als während eines Sommers in Felgar.
Ein lautes Platschen ertönte neben ihm im Wasser. Als Daniro den Kopf wandte, sah er einen Kormoran, der ihn ungnädig aus seinen winzigen Augen musterte, als hätte er ihn bei etwas enorm Wichtigem gestört. Mit mehreren harten Flügelschlägen brachte der schwarze Vogel einigen Abstand zwischen sich und den fremden Mann. Argwöhnisch beobachtete der Kormoran, wie der Grund für sein Aufschrecken weiterging, ohne sich noch einmal umzudrehen, bevor er sich endgültig aus dem Wasser erhob und sich auf der Hafenmauer niederließ, wo er die nassen Flügel weit zum Trocknen spreizte.
Die Suvare lag in einiger Entfernung am Ende des Piers vor Anker. Es war eine Tjalk, ein Einmaster, der wegen seiner Breite und seines flachen Baus vor allem als Frachtschiff in Küstennähe eingesetzt wurde, weil er auch in seichten Gewässern segeln und bei Ebbe im Watt aufgesetzt werden konnte. Der Rumpf der Tjalk erschien Daniro vor dem zusehends dunkler werdenden Himmelsgrau wie der Rücken eines riesigen Wals, den es durch eine Laune der Strömung oder der Gezeiten in das Hafenbecken verschlagen hatte. Ihr Mast hätte die Harpune eines Riesen sein können, der auf das Tier Jagd gemacht hatte und dem es schwer verletzt in die Bucht entkommen war.
Die Segel der Suvare waren eingeholt worden, weshalb Daniro selbst aus einiger Entfernung gut erkennen konnte, dass sich gerade nur eine einzige Person auf Deck befand, ein älterer Mann, der damit beschäftigt war, eine Luke zum Unterdeck zu schließen. Er trug einen schweren Ledermantel, der ihm fast bis zu den Füßen reichte. Seine schlohweißen Haare waren straff zurückgekämmt und mit einem schwarzen Band zu einem langen, steifen Zopf zusammengebunden.
» Achar , Kamerad!«, rief Daniro, ein üblicher Gruß unter Männern, die zur See fuhren. Er blieb vor der Landungsbrücke stehen, einer einzelnen breiten Planke, die den Anleger mit der Tjalk verband.
»Bitte an Bord kommen zu dürfen!«
Langsam richtete der Angesprochene sich auf und wandte sich ihm zu. Daniro bemerkte selbst aus der Entfernung die weiße Narbe über der rechten Augenbraue des Mannes, die sich in einem langen Bogen bis zu seiner Schläfe zog.
»Achar! Bitte gewährt, Kamerad!«
Er besaß die durchdringende Stimme eines Mannes, der es gewohnt war, mit lauten Befehlen an die Mannschaft gegen den Wind und das harte Schlagen flaternder Segel anzuschreien. Daniro betrat die Planke. Schon jetzt glaubte er die schwache Bewegung des Schiffes zu spüren. Die abendliche Kälte fuhr plötzlich stärker durch seine Kleider. Einen Moment starrte er wie gebannt auf die Wellen unter sich hinab, dann zwang er sich, wieder auf das Holz zu seinen Füßen zu blicken. Er konnte sich nun keine ängstlichen Überlegungen leisten! Vielmehr durfte er an nichts anderes denken als an den Grund seines Hierseins. Mit raschen Schritten ging er an Deck.
Der alte Seemann trat auf ihn zu und musterte ihn mit dunkelbraunen Augen.
»Was bringt dich hierher?«
Daniro holte tief Luft.
»Ich möchte anheuern. Ich habe von einem eurer Leute gehört, dass ihr noch jemanden braucht.«
Der Seemann starrte ihn weiter an, ohne ein Wort zu erwidern. Seine Hand griff in eine weite Tasche seines Mantels und wühlte darin herum. Schließlich zog er sie wieder heraus. Daniro sah, dass sie eine Stange Kautabak umfasst hielt. Er führte den schwarzen Stumpen an den Mund und biss ein kleines Stück ab. Den Rest stopfte er wieder umständlich in die Tasche.
»So, so«, meinte er gedehnt, während er schmatzend den Tabak in seinem Mund herumrollte, »anheuern willst du. Wer hat dir denn gesagt, dass wir noch Leute brauchen?«
»Er nannte sich Eivyn. Wir haben im Schwarzen Anker zusammen getrunken.«
»Eivyn, was?« Der Seemann lachte rau und spuckte in einem weiten Bogen über die Reling. »Der Kerl trinkt und redet mehr, als er den Rücken krumm macht, und was er redet, taugt meist genauso wenig wie seine Arbeit. Aber diesmal hat er tatsächlich Recht gehabt. Wir suchen einen Zimmermann. Der letzte war schon alt und ist uns vor ein paar Monaten gestorben. Bist du schon auf Schiffen mitgefahren?«
»Ay, auf Handelsschiffen. Ich hab schon fast jeden Hafen in Runland gesehen, aber meistens war ich im Süden unterwegs.«
»Und du kannst mit
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