Runlandsaga - Sturm der Serephin
Sareth heiser hervor.
Ranár nickte und trat auf Sareth zu, der nur mühsam den Drang unterdrückte, in die Nacht davonzurennen. Der unheimliche Mann legte ihm den Arm um die Schulter. Sareth vermeinte, eine eigenartige Hitze zu spüren, die von dessen Körper ausging, eine feuchte, säuerliche Hitze wie die eines Fieberkranken. Seine Beine wurden taub.
»Ganz genau«, sagte Ranár und beugte sich zu ihm vor.
»Aber ich hab Euch doch gesagt, wo der Mann zu finden ist, den Ihr sucht!«, rief Sareth. Schweiß lief ihm über die Wangen. »Wir haben unseren Auftrag erfüllt.«
»Und das habt Ihr auch sehr gut erledigt. Das mit dem Kind allerdings war weniger gut. Die Stadtwache weiß bestimmt schon, dass heute Abend ein kleiner Junge entführt wurde. Das heißt, in der nächsten Zeit wird man Fremde hier sehr genau beobachten. Persönlich ist es mir ziemlich egal, ob ihr die nächsten Jahre damit verbringt, als Sträflinge in einem Steinbruch zu schuften, aber ich will nicht, dass irgendjemand über euch zu mir findet, verstanden? Nicht, dass ich damit nicht zurechtkäme, aber es vergeudet meine Zeit und meine Kraft.«
Er ließ Sareth los.
»Also, verschwindet für heute Nacht von der Straße und aus den Wirtshäusern, haltet die Köpfe unten und versucht, nicht aufzufallen! Wenn ihr eure Sache gut macht, habe ich bald noch mehr Arbeit für euch. Mehr Arbeit – und mehr Geld, als ihr es euch in euren kühnsten Träumen vorstellen könnt. Ich denke, das wird dich über den Tod dieses Dummkopfs schnell hinwegtrösten, nicht wahr?«
Sareth nickte mit staubtrockenem Mund. Für einen Moment kam es ihm vor, als hätte er selbst eine Schnur im Nacken, an der ein unsichtbarer Puppenspieler zog.
Ranárs Arm wies kurz in Richtung des Hafenbeckens.
»Und holt den Müll vom Steg, bevor es hell wird und ihr Zuschauer bekommt.«
Mit einer schnellen Handbewegung zog er sich die Kapuze wieder über und drehte sich um. Wenige Schritte brachten ihn ins Dunkel zwischen zwei Lagerhallen, das ihn verschluckte.
Sareth blieb noch eine ganze Weile wie angewurzelt stehen. Er wollte völlig sicher sein, dass dieser Verrückte wirklich fort war. Sein geschwollenes Auge hatte er gänzlich vergessen.
Bei allen Geistern, wer war das bloß? Wie konnte dieser Mann eine so übermenschliche Kraft besitzen?
Sareth schüttelte den Kopf. Wer immer Ranár sein mochte, er bezahlte gut. Letztlich kam es immer nur darauf an. Und darauf, zu wissen, wann man den Kopf einzuziehen und das Maul zu halten hatte. Die beiden anderen würden eine Heidenangst bekommen, wenn er ihnen erzählte, was sich gerade zugetragen hatte. Wahrscheinlich würden sie ihn dazu drängen, das verdammte Geld einfach Geld sein zu lassen und mit dem nächsten Schiff so weit wie möglich zu verschwinden.
Aber das ging nicht. Dieser Kerl war niemand, dem man so einfach den Rücken zukehren konnte, in der Hoffnung, er würde nicht plötzlich eines Tages erneut vor einem stehen. Er hatte sie bezahlt, und er würde sie wieder finden.
Außerdem war da immer noch das Versprechen von mehr Geld.
Sareth drehte sich auf dem Absatz um. In der Stille des nächtlichen Hafengeländes verursachte er dabei ungewöhnlich lautes Geräusch, das ihn schaudern ließ. Er machte sich auf, Mirad und Doran zu holen, damit sie sich um Torons Leiche kümmerten. Binnen kurzem war er ebenso in der Nacht verschwunden wie sein unheimlicher Auftraggeber.
10
»Margon?«
Der alte Magier hob die Öllampe etwas an, um besser zu sehen, wer vor ihm stand.
»Ich bin es, Enris.«
Margon trat die Treppe hinab, dem späten Besucher entgegen.
»Was machst du denn so spät noch hier?«, wollte er wissen.
»Es geht um Euren Gast«, erwiderte Enris. »Der Mann, den die Kinder am Strand gefunden haben. Es scheinen sich Leute für ihn zu interessieren – ziemlich üble Kerle.«
Margon war nahe an ihn herangetreten. Bei Enris‘ letzten Worten zog er erstaunt eine Augenbraue hoch.
»Wahrscheinlich werden sie hier auftauchen«, fuhr Enris fort. »Dass der Fremde zu Thaja gebracht wurde, ist in der Stadt kein Geheimnis.«
Margon starrte wortlos die Wunde in Enris‘ Gesicht an und fuhr sich geistesabwesend über die rechte Wange, wo sein Bart den größten Teil einer langen Narbe verdeckte. Über die Jahre hinweg war der Teil, der über den Bart hinausreichte, allmählich zu einer kaum noch sichtbaren, dünnen Linie geworden. Er erinnerte sich nur selten an den Tag, als ihm bei einem Kampf diese Wunde beigebracht
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