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Runlandsaga - Sturm der Serephin

Runlandsaga - Sturm der Serephin

Titel: Runlandsaga - Sturm der Serephin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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werden.
    Wie hatte dieses furchtbare Besäufnis bloß angefangen? Sie überlegte angestrengt, was und wie viel sie in der vergangenen Nacht getrunken hatte. Sonst war sie doch viel standfester – welchem Gebräu hatte sie diesen Kater zu verdanken?
    Schließlich begann sie sich an einiges zu erinnern. Flirin, dieses Dreckszeug! Kein Wunder, dass es ihr so übel ging! Was war eigentlich vor dem Schwarzen Anker gewesen? Hatte sie nicht eine Zeit lang alleine an Bord zugebracht? Nein, Teras war noch an Deck herumgelaufen. Hatte nachgesehen, ob die Mannschaft den Teil der Ladung, der tagsüber aufgenommen worden war, auch sicher verstaut hatte. Guter alter Teras! Oft stöhnten die anderen unter seinen Anforderungen, aber auf ihn war Verlass.
    Plötzlich kehrten Bilder vom Vorabend in ihr Gedächtnis zurück. Ach, das hatte sie ja ganz vergessen! Jemand hatte auf der Suvare angeheuert, ein gelernter Schiffszimmermann. Wie war noch mal sein Name gewesen? Irgendetwas mit Dani. Oder Dano? Egal, es würde ihr schon wieder einfallen. Als er gegangen war, hatte sie noch eine Weile an der Reling gestanden und den Stimmen der Nacht gelauscht, den Wellen, wie sie gegen die Bordwand schlugen, den vielfältigen Geräuschen aus dem hölzernen Bauch des Schiffes, die hier in der Bucht so anders klangen als auf offener See, den vereinzelten Rufen aus menschlichen Kehlen, die vom Hafen her zum Anleger drangen.
    Sie hatte sich nie als besonders gefühlsbetont eingeschätzt, und sie hatte schon etliche solcher Abende in vielen unterschiedlichen Häfen erlebt, doch aus irgendeinem Grund hatte sie in diesem Moment die Einsamkeit ergriffen wie mit einer Faust aus Blei. Mit einem Mal hatte sie sich gefühlt, als wäre die gesamte Menschheit von einem Augenblick zum anderen ausgestorben. Alle waren verschwunden. Die Welt war wüst und leer. Nur sie war übrig, der letzte Mensch Runlands auf einem Kahn irgendwo am Rande der nördlichen Einöde. Wohin würde sie gehen, wenn es tatsächlich so käme? Was bliebe ihr zu tun?
    Selbst jetzt, mit der wärmenden Sonne eines neuen Tages im Gesicht, lief es ihr kalt über den Rücken, als sie sich daran zurückerinnerte, wie unheimlich und bedrückend dieses Gefühl gewesen war. Einen kurzen Moment war das Gesicht ihrer Mutter vor ihren Augen erschienen. Denure hätte über diese schwermütigen Überlegungen nur gelacht.
    Solche Gedanken sind nichts für hart arbeitende Leute, Suvare!
    Das hätte sie sicher gesagt.
    Schwermütiges Grübeln ist nur für jene, die mehr freie Zeit zur Verfügung haben, als ihnen gut tut.
    Es hatte Tage in ihrem Leben gegeben, da hatte Suvare an solche Worte geglaubt. Tage, die so voll mit Anforderungen gewesen waren, dass keine Zeit für ein Innehalten und Nachdenken blieb, ja, dass es ihr sogar lächerlich erschienen wäre, sich Beschäftigungen hinzugeben, die nicht dazu dienten, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie war schließlich nicht immer die Eignerin eines Schiffes gewesen. Es war nicht einfach gewesen, dorthin zu kommen, wo sie nun stand. Als Frau hatte man doppelt so hart zu schuften, um an einen Platz zu gelangen, den gewöhnlich ein Mann innehatte und von dem nur wenige glaubten, dass auch eine Frau ihn ausfüllen könnte.
    Doch inzwischen tat sie dies seit einigen Jahren. Denure hatte noch miterlebt, dass ihre Tochter eine Tjalk ihr Eigen nannte, bevor eine schwere Krankheit die alte Frau in das Totenboot gelegt hatte. Wenn Suvare jetzt grüblerische Gedanken überfielen, besaß sie öfter als früher die Zeit, ihnen nachzuhängen, und sie hatte festgestellt, dass ihre Mutter im Unrecht gewesen war. Solche Gedanken waren nicht unnütz. Vielleicht hingen sie nicht immer mit den Herausforderungen der täglichen Arbeit zusammen, die vor allem mit dem Führen dieses Schiffes zu tun hatten – damit, sowohl Mannschaft als auch Ladung sicher in den nächsten Hafen zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie wieder neue Aufträge erhielt. Doch sie halfen ihr dabei, sich selbst zu erkennen – wer sie war und was sie vom Leben erwartete. Selbst dann, wenn sie einen so seltsam düsteren Verlauf nahmen wie am Vortag.
    Sie erinnerte sich an die Welle der Einsamkeit, die sie an jenem stillen Abend in der Dunkelheit des Hafens unverhofft überrollt hatte, an den Gedanken daran, der letzte lebende Mensch auf einer von allen verlassenen Welt zu sein, an die beunruhigende Eindringlichkeit, mit der diese Stimmung sie so plötzlich überfallen hatte wie ein Raubtier im

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