Runlandsaga - Sturm der Serephin
heiseren Schrei aus, der im allgemeinen Toben rings um sie völlig untergeht. Die Wette ist gewonnen. Larcaan liegt vor ihr am Boden, sein Blick starr an die Decke gerichtet, als gäbe es dort etwas ungemein Wichtiges zu sehen. Der Wirt hebt ihn mit Hilfe zweier Gäste auf. Gemeinsam schaffen sie ihn weg.
Ein Gesicht nach dem anderen erscheint vor ihr wie Masken tragende Schauspieler, die ihr unverständliche Worte ins Ohr schreien. Jemand drückt ihr einen Krug mit kaltem Wasser in die Hand, und sie trinkt gierig. Endlich verschwindet der scheußliche Geschmack in ihrem Mund. Das Bild vor ihren Augen wird klarer. Sie sieht, wie Thurnas sich umdreht und zum Ausgang der Schenke gehen will, doch sie hält ihn auf.
»Nicht so schnell!«
Ihre Stimme klingt schwerfällig in ihren Ohren, als hätte jemand ihre Zunge in dicken Stoff eingewickelt.
»Ich hab gewonnen. Eine Wette ist eine Wette. Morgen bringt ihr uns eure Fracht.«
Thurnas weiß, dass der ganze Schankraum ihn ansieht. Er nickt widerwillig und murmelt etwas, das Suvare nicht versteht. Dann verschwindet er eilig, während die Gäste sich erneut um sie drängen und laut auf sie einreden.
Ihr Magen begann zu knurren und vertrieb die Bilder der vergangenen Nacht. Suvare merkte, wie hungrig sie war. Nach ihrem Sieg war sie zu den Pieren zurückgewankt und hatte ihr Abendessen ins Hafenbecken erbrochen. Kein Wunder, dass sie allmählich ziemlichen Hunger bekam. Aber wenigstens hatte sie sich nach dem Erbrechen nicht mehr ganz so schwach gefühlt.
Teras‘ heisere Stimme drang zu ihr in die Kajüte. Durch die halb geöffnete Tür sah Suvare, wie er Eivyn befahl, die Spannung der Wanten zu überprüfen. Hinter ihm kam der Mann, der seit heute neu an Bord war, die Treppe zum Unterdeck hochgestiegen. Die letzten Arbeiten vor dem Auslaufen wurden erledigt, und bald blieb nur noch das Warten auf jene Fracht, deren Beförderung sie gestern Nacht gewonnen hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass Larcaan sein Wort halten würde, das er vor so vielen Zeugen gegeben hatte. Hoffentlich ging es ihm heute Vormittag mindestens ebenso elend wie ihr!
Eigenartig, wie die Schicksalsweberin Cyrandith manchmal ihr Netz spann! Wenn sie am vorigen Abend nicht dieses unheimliche Gefühl von völliger Verlassenheit überkommen hätte, wäre sie nicht noch einmal von Bord gegangen, und sie hätten nicht den Auftrag der Fellhandelsstation bekommen. Aber wo hatte diese dunkle Grübelei ihren Ursprung gehabt? Sie war nie ein Mensch gewesen, der sich von Natur aus einsam fühlte. Vielleicht entstanden solche Gedanken nirgends, sondern waren immer vorhanden, wenngleich man sie für gewöhnlich nicht wahrnahm, so wie Ungeziefer auf der Unterseite eines flachen Steins im Gras, das man erst dann sah, wenn man ihn umdrehte. Womöglich war die Einsamkeit immer da, selbst in diesem Hin und Her der über das Deck laufenden Mannschaft ihres Schiffes. Es war eine kleine Gruppe von Menschen, die gemeinsam ihre Arbeit verrichtete, dennoch trennte jeden von ihnen ein unermesslicher Abgrund von den anderen. Letztlich blieben sie alle mit ihren Wünschen und Sorgen allein, so allein, als wäre tatsächlich jeder von ihnen der letzte Mensch auf dieser Welt.
Suvare schloss die Kajütentür und sperrte damit die Geräusche auf Deck ebenso aus wie ihre grüblerischen Gedanken. Sie ging zur Vorratskiste neben ihrer Koje und öffnete sie. Es wurde Zeit, endlich etwas in den Magen zu bekommen. Sie hoffte nur, dass sie das Essen auch unten behalten würde.
14
»Bevor ich euch erzähle, wer mich verfolgt und was ich in den Höhlen unter Carn Taar gesucht habe«, begann Arcad, »möchte ich euch eine Frage stellen.«
Seine drei Zuhörer blickten ihn gespannt an. Der Elf saß am Fenster des Turmzimmers, das auf das Meer hinauswies. Das Licht des späten Vormittags fiel aus dem gegenüberliegenden Fenster in den Raum und ließ sein dunkles Haar glänzen.
Arcads Augen ruhten ruhig und sicher auf den drei ihm zugewandten Gesichtern. Sofern er es kaum erwarten konnte, so schnell wie möglich in die Höhlen zurückzukehren und das geheimnisvolle schwarze Tor zu öffnen, hatte er sich offensichtlich wieder so gut im Griff, dass es seinen Gesichtszügen nicht anzumerken war. Margon beschlich sogar ein wenig der Verdacht, es wäre Arcad in einem verborgenen Winkel seines Herzens ganz recht, dass man ihn gefunden hatte. Nun blieb dem Endar nichts anderes übrig, als die Bürde seines Geheimnisses zu teilen, die er
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