Runlandsaga - Sturm der Serephin
erzählt, aber sie nannten keine Namen.«
»Unsere Überlieferungen wissen von mindestens vier Alten Rassen, den Serephin, den Inkirin, den Reshari und den Maugrim«, sagte Arcad. »Aber wer weiß, wie viele damals wirklich geschaffen wurden. Über die Gestalt der Inkirin ist so gut wie nichts bekannt. Die Reshari sehen den Menschen sehr ähnlich. Einige der kriegerischen Maugrim gleichen riesigen, gepanzerten Insekten. Die Serephin besitzen Echsenkörper. Doch sie sind nicht auf eine äußere Gestalt beschränkt, besonders die Jüngeren nicht. Sie sind Gestaltwandler.«
»Heißt das, diese Serephin können aussehen, wie sie wollen?«, fragte Enris.
»Ay, so ist es«, bekräftigte Arcad.
»Das hört sich ziemlich sagenhaft an«, meinte Enris. »Ein wenig zu sagenhaft für meinen Geschmack. Wollt Ihr uns glauben machen, dass es irgendwo dort draußen eine Welt gibt, die von Drachen bevölkert wird? Womöglich noch von Drachen, die sprechen können und Magie beherrschen? Wo soll das sein? Am anderen Ende des Meeres, das Runland umgibt? So weit ist noch nie jemand vorgedrungen, dass er davon erzählen könnte.«
Wie zur Betonung seiner letzten Worte blickte er an Arcad vorbei zum Fenster hinaus, wo sich das stille graue Tuch des Meeres in einen unbekannten Westen erstreckte.
Margon hob die Hand.
»Lass ihn weiterreden«, sagte er ruhig, aber bestimmt.
Enris senkte den Kopf. Jetzt, da der Magier ihn angesprochen hatte, fiel ihm auf, wie wütend er immer noch auf Arcad war. Natürlich hatte er es seiner eigenen Neugier zuzuschreiben, dass er in dieser Höhle unter der Festung beinahe aufgespießt worden wäre. Er hatte ja schon immer die Nase in Angelegenheiten stecken müssen, die ihn nichts angingen, die aber irgendwie seine Neugier anstachelten. So war es am Vorabend auch dazu gekommen, dass er hinter einem Regal in einer Lagerhalle gekauert hatte, um einen unbekannten Jungen mit Bleigewichten in den Händen vor Entführern zu retten.
Trotzdem ist da noch mehr, nicht wahr? meldete sich eine Stimme in ihm. Deine dumme Neugier ist eine Sache. Aber dass dieser Elf bedrohliche Ereignisse anzieht wie ein Magnet das Eisen, steht auf einem anderen Blatt. Ich bin fast gestorben, doch für ein so langlebiges Wesen wie ihn ist das anscheinend schon wieder Geschichte. Er sitzt bereits wieder überheblich da wie ein Ordensmeister aus T‘lar vor seinen Schülern. Und dafür könnte ich ihn aus dem Fenster stoßen.
»Die Welt der geflügelten Schlangen ist nicht Runland«, fuhr Arcad mit etwas mürrischer Miene fort. »Sie leben an einem anderen Ort, den wir, die wir hier leben, nicht erreichen können. Ihre Heimat ist von der unseren völlig verschieden.«
»Wo befindet sie sich?«, fragte Thaja.
»Sie liegt jenseits der Grenzen unserer Welt«, erwiderte Arcad. »Aber es gibt ein Tor, durch das man in ihre Welt gelangen kann.«
»Das Tor dort unten in der Höhle!«, rief Enris. »Das ist der Durchgang zu ihrer Welt, nicht wahr?«
Ein dünnes Zucken spielte um Arcads Lippen wie der Geist eines Lächelns. Er schüttelte den Kopf.
»Nein, mein junger Freund, dieses Tor führt an einen anderen Ort. Aber Geduld, dazu komme ich noch. Den Übergang zwischen unserer Welt und jener der Serephin kann man am nächtlichen Sternenhimmel sehen. Es ist ein Sternbild, weit draußen in der ewigen Dunkelheit, in der unbekannte Himmelskörper ihre Bahnen ziehen. In seiner Mitte liegt das verborgene Tor nach Vovinadhár , die Schlangenwelt, die Heimat der Drachen.«
Margon bemerkte, wie ihn mit einem Mal ein Schauer durchfuhr, als wäre ein kalter Finger sein Rückgrat hinabgeglitten. Gedanken an seine letzte Reise durch die Geistwelten blitzten in ihm auf und erleuchteten für Augenblicke seine Erinnerung an den Flug durch den finsteren Weltenraum.
Die Atem beraubende Geschwindigkeit seines gedankenschnellen Flugs, vorbei an bekannten und unbekannten Sternbildern. Die purpurfarbenen und roten Wolken, durchsetzt mit den leuchtenden Punkten weit entfernter Sonnen, schwebend in der Schwärze des Alls.
»Wie sieht dieses Vovinadhár genau aus?«, fragte er, bemüht, sich seine plötzliche Anspannung nicht anmerken zu lassen.
Arcad hob den Kopf, und sein Blick schien plötzlich in die Ferne zu schweifen, als sähe er durch die Mauern der Schwarzen Nadel hindurch und weiter über die Hochebene von Felgar hinweg bis über den Rand des Horizonts hinaus und zu dem fremdartigen Ort, von dem er sprach.
»Die Farbe dieser Welt ist rot«,
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