Runlandsaga - Wolfzeit
er sie dazu auf, ihre Meinung zu äußern.
Doch bevor Königin Tarigh etwas erwidern konnte, meldete sich Aros zu Wort. »Bei allem Respekt, aber ich fürchte, Ihr setzt zuviel Hoffnung in uns, wenn Ihr der Meinung seid, ich könnte Euch mit meinen Männern vor den Ungeheuern beschützen, die dieser Junge da beschrieben hat. Wir haben das Kriegshandwerk gelernt, aber wir sind nicht genügend Kämpfer, um es mit einem Heer von übernatürlichen Wesen aufzunehmen. Die sind von einem anderen Schlag als eine Räuberbande oder ein Haufen Clanskrieger aus den Nordprovinzen. Es wäre nicht einmal dann zu schaffen, wenn sich jeder Mann aus der Stadt bewaffnen und an unsere Seite stellen würde.«
»Was?«, fuhr einer der Ratsleute empört auf. »Wozu haben wir Euch aus dem Regenbogental dann in unsere Stadt geholt und all die Jahre über für Euer Auskommen gesorgt, wenn Ihr jetzt nicht einmal dazu in der Lage seid, diese Bedrohung für uns abzuwenden?«
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als mehrere Stimmen im Raum laut wurden, die ihm erregt beipflichteten, während andere ebenso heftig dagegen sprachen.
»Mir war von Anfang an nicht wohl damit, diese fremden Krieger bei uns zu beherbergen. Jetzt sehen wir ja, dass wir nie einen Vorteil davon hatten!«
»So ein Unsinn! Ohne sie wären wir längst ein Teil von Norad und müssten den Clans Abgaben für ihre ständigen Fehden zahlen.«
»Und wenn schon. Die Clans hätten uns wenigstens beschützen können – nicht so wie diese Maulhelden aus Burg Cost, die den Schwanz einziehen, wenn es ernst wird!«
Mehr konnte Enris nicht verstehen, weil mit der letzten Bemerkung nun beinahe alle gleichzeitig laut aufeinander einzureden begannen. Suvare und Teras wechselten unruhige Blicke. Aros neben ihm war dunkelrot angelaufen vor Zorn. Aber er kam nicht dazu, gegen den Streit der Ratsleute anzubrüllen. Königin Tarigh, die bis zu jenem Moment geschwiegen hatte, stand unvermittelt auf.
Diese Bewegung wirkte auf die aufgebrachte Runde wie ein Donnerschlag. Die zornigen Mienen erstarrten, das Gezänk ebbte ab, und alle Blicke wandten sich der hochgewachsenen blonden Frau mit dem blassen Gesicht zu, die sie aus ihren leicht herabhängenden Lidern einen nach dem anderen ansah.
»Ich erinnere Euch daran«, sagte sie schließlich mit ruhiger, aber kalter Stimme, »dass Ihr einen Bund mit dem Regenbogental eingegangen seid. Vor fünf Jahren seid Ihr an meinen Hof gekommen und habt mein Volk darum gebeten, Euch zu beschützen, vor den Piraten, den Räuberbanden, vor allem aber vor den Kriegern aus den Nachbarländern. Meine Männer haben euch Schutz gewährt. Menelon ist die sicherste Stadt des Nordens. Hat der Hecht seitdem etwa noch ein einziges Mal Eure Bucht bedroht? Sind die Clansleute aus Norad vor Euren Mauern gestanden, wie sie es mehr als einmal angedroht haben? Nun?«
Niemand antwortete ihr. Einige der Ratsleute sahen sie mit befriedigten Gesichtern an, wieder andere starrten verärgert zu Boden und scharrten mit ihren Füßen.
»Eure Erinnerung reicht nicht sehr weit«, fuhr Königin Tarigh fort. »Kaum tauchen Schwierigkeiten am Horizont auf, sind die bereits erreichten Erfolge wieder vergessen, und Ihr überschüttet uns mit Vorwürfen wie eine Schar schnatternder Gänse. Aber mit den Flügeln zu schlagen und Radau zu machen, wird Euch nicht viel helfen, wenn diese Wölfe erst einmal vor dem Gatter stehen. – Ich will es kurz machen. Wenn Ihr meine Krieger nicht mehr innerhalb Eurer Stadt dulden wollt, dann trefft eine Entscheidung und teilt sie mir mit. Wir bleiben nicht dort, wo wir nicht erwünscht sind. Aber ...«, sie funkelte die Ratsleute herausfordernd an, »solange ihr mir nicht mit einer Stimme entgegentretet und unser Bündnis für beendet erklärt, habe ich im Rat das letzte Wort. Wie bisher.«
Der Mann neben Königin Tarigh, den Escar Urgan genannt hatte, erhob sich ebenfalls. »Der Rat steht auch weiterhin zu Euch«, sagte er laut. Er starrte die anderen finster an, als sollte es nur einer aus ihrer Runde wagen, das Gegenteil zu äußern. »Ohne Eure Krieger haben wir noch weniger Aussichten, vor diesen Angreifern zu bestehen.«
»Und was rät uns Königin Tarigh dann?«, wollte einer der Ratsherren wissen, die Urgan gegenüber saßen. »Ihr Hauptmann hat es bereits offen gesagt, dass er es sich nicht zutraut, unsere Stadt beschützen zu können.«
»Das war auch gut so«, gab die Herrin des Regenbogentals trocken zurück. »Ein Heldentod versorgt die
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