Runlandsaga - Wolfzeit
hindern, an Bord zu kommen. Als er sah, wie der Koch mit schreckgeweiteten Augen seine Klinge auf die Wölfin richtete, drehte er sich ihm langsam zu. »Steck die Waffe weg«, sagte er ruhig, aber deutlich. Er wagte es nicht, lauter zu sprechen, aus Sorge, die nur wenige Fuß vor ihnen stehende Bestie noch mehr zu einem Angriff zu reizen.
Die Wölfin knurrte bedrohlich. Langsam setzte sie einen Lauf vor den anderen und kam auf den Schiffskoch zu.
»Calach! Weg damit«, sagte nun auch Aros, der etwas abseits stand, eindringlich.
Der Angesprochene schien weder Daniro noch den Krieger vernommen zu haben. Wie zu Stein erstarrt stand er vor dem riesigen, sich nähernden Tier, seine Waffe in der ausgestreckten zitternden Rechten, das Gesicht eine Maske aus Furcht.
Daniro wusste, dass er eine Entscheidung zu treffen hatte, wenn der Koch am Leben bleiben sollte. In den gefletschten Zähnen des Ungeheuers sah er das, was er damals auch erblickte, als der Sturm die Suvare packte, und was die Schreie seines Freundes Jalcar an sein Ohr getragen hatten: Das Ende seines Lebens. Unvermittelt, ohne die Möglichkeit einer Vorbereitung und völlig bedeutungslos. Egal für wie unverwundbar er sich mit seinen noch nicht einmal dreißig Lebensjahren halten mochte, und ob er noch so felsenfest glaubte, dass der Tod etwas für alte Leute war, aber doch nicht für ihn – plötzlich starrte er in die Augen des Allverschlingers. Aber diesmal würde er nicht seiner Angst nachgeben. Suvare vertraute ihm. Er würde dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Wenn einer Calach retten konnte, dann er. Die Frau, die irgendwo tief in diesem Ungeheuer steckte, erinnerte sich bestimmt noch daran, wie er sie mit ihrem eigenen Dolch bedroht hatte. Von ihm würde sie sich ablenken lassen.
All diese Gedanken schossen innerhalb eines Lidschlags durch seinen Verstand. Blitzschnell hob er seine Arme und klatschte laut in die Hände.
»Heh! Hierher !«
Das Geräusch und sein Schrei gellten durch die Nacht. Der Kopf der Wölfin fuhr herum. Blutrote Augen glühten hinter drohend zurückgezogenen Lefzen.
»Komm schon«, fauchte Daniro gepresst. Langsam bewegte er sich von dem Koch fort in Richtung Bordwand. Das schwarze Tier folgte jeder seiner Bewegungen mit seinem Kopf. Immer noch knurrend rückte es allmählich näher.
Da glitt Calach das Entermesser aus den Händen und fiel polternd auf die Planken. Sofort drang ein finsterer Laut aus der Kehle der Wölfin. Sie wandte sich von Daniro ab und sprang auf den Koch zu, der rückwärts taumelte und schreiend zu Boden fiel. Im nächsten Moment war das Ungeheuer über ihm.
»Hier bin ich!«, schrie Daniro verzweifelt. Er griff nach dem erstbesten Gegenstand, der ihm in die Finger kam, einem Stück Seife zum Schrubben des Decks von der Form und Größe eines Pflastersteins, der auf dem Deckel eines Wasserfasses vergessen worden war. Mit voller Wucht schleuderte er den Brocken auf den Rücken der Wölfin, die ihre Zähne bereits an Calachs Kehle hatte. Brüllend riss das Tier den Kopf herum. Seine rotglühenden Augen funkelten Daniro an, und er hätte schwören können, dass es ihn erkannte. Es ließ von seinem Opfer ab und sprang auf ihn zu, ein schwarzer Blitz, der mehr an einen tobenden Dämon als an ein Tier erinnerte.
Daniro war rittlings auf die Reling geklettert. Mit einem gewaltigen Satz sprang die Wölfin ihn an. Gleichzeitig ließ sich der junge Mann nach hinten fallen. Für einen Moment spürte er während seines Sturzes, wie die Vorderpfoten des Ungeheuers sein Hemd aufschlitzten und Fetzen aus der Haut seines Oberkörpers rissen. Dann fegte das Tier über ihn hinweg, während er gleichzeitig mit dem Rücken voran ins dunkle Wasser eintauchte.
Angestrengt mit Armen und Beinen paddelnd hielt er seinen Kopf über den Wellen und rang laut schnaubend nach Atem. Undeutlich vernahm er ein lautes Klatschen, als die Wölfin hinter ihm ebenfalls die Wasseroberfläche durchstieß. Doch mit all dem Meerwasser um sich herum hatte das schwarzhaarige Ungetüm jedes Interesse an seinem Gegner verloren. Schnaufend und prustend entfernte es sich von ihm und der Tjalk und kämpfte sich durch die Brandung zum Ufer vor.
Daniro blickte an der Bordwand nach oben. Teras´ besorgtes Gesicht starrte auf ihn herab. Neben ihm erschienen Aros, Suvare und Corrya.
»Als Seemann verschwendest du deine Zeit«, dröhnte Königin Tarighs Hauptmann. Seine Begeisterung war unüberhörbar. »Du würdest einen verflucht guten Krieger
Weitere Kostenlose Bücher