Runlandsaga - Wolfzeit
auf sie richtete. Sofort sprangen Schwerter und Säbel klirrend aus ihren Scheiden.
Ein weiterer Mann, klein und gedrungen, aber offenbar flink wie ein Wiesel, wenn es darauf ankam, sprang neben den Alten. Er hielt ebenfalls eine Armbrust in den Händen, die er auf Shartan richtete.
»Bleibt alle, wo ihr seid, oder euer Anführer ist der Erste, der stirbt!«
Der hünenhafte Pirat rührte sich nicht, aber er musterte die Neuankömmlinge so kalt und unerschrocken, als wolle er den Fremden deutlich zeigen, dass keine Drohung ihn davon abhalten würde, sie anzugreifen, wenn er sich dafür entschied. Shartan hatte es immer so gehalten. Wer nicht im Angesicht des nahen Todes bereit war, alles in die Waagschale zu werfen, taugte nicht zum Anführer.
Einer seiner Leute, der sich hinter dem steinernen Wasserbecken befunden hatte, richtete sich nun blitzschnell auf. In seinen Händen schimmerte die Klinge eines Wurfmessers.
»Versuch´s erst gar nicht!«, zischte er dem Mann zu, der das Wappen des Regenbogentals auf seiner Rüstung trug. »Mach einen Finger krumm, und du bist tot!«
Weitere bewaffnete Gestalten drängten durch den Eingang auf die Plattform. Eine davon erkannte Shartan sofort wieder. Seine Finger, die sich um den Griff seines Säbels gelegt hatten, packten so fest zu, dass die Knöchel hell schimmernd unter der Haut hervortraten. Auf seinem Gesicht wechselten sich Zorn und tiefe Befriedigung mit erschreckender Geschwindigkeit ab. »Wusste ich es doch!«
Langsam ging Suvare auf ihn zu. Im Gegensatz zu ihm war ihre Miene unbewegt. Auch sie hielt eine Waffe in Händen, ein schartiges Kurzschwert, das aussah, als ob es schon bessere Tage gesehen hätte, bevor es im Waffenschrank ihrer Tjalk gelandet war. Hinter ihr beobachteten Calach, Corrya und die beiden Krieger, die unter Aros´ Befehl standen, jede Bewegung der Piraten. Aus den Augenwinkeln sah Suvare, dass mindestens eine Armbrust auf sie zielte.
»Ich suche einen meiner Kameraden«, sagte sie wie beiläufig. »Ihr habt ihn nicht zufällig gesehen?«
Eine entgeisterte Stille trat ein. Der kahle Riese starrte sie aus seinen vorquellenden Augen an. Sein mahlender Kiefer ließ die Schläfenknochen unter der Kopfhaut hervortreten. Als er schließlich antwortete, bebte seine Stimme vor mühsam unterdrücktem Zorn. »Du hast Nerven, Miststück, das muss man dir lassen!« Er breitete weit seine Arme aus. »Wie du sehen kannst, ist er nicht hier. Er ist uns mit verfluchter Elfenmagie entwischt – er, sein vierbeiniger Beschützer und die beiden Fremden mit der Echsenhaut.«
»Serephin!«, rief Suvare verblüfft. »Sie waren hier!«
Shartans Augen blitzten auf. »Ah, ihr habt schon ihre Bekanntschaft gemacht. Ich weiß nicht, welcher Alptraum die zwei ausgespuckt hat, und ich will es auch nicht wissen. Sie sind in die Zisterne gesprungen und darin verschwunden, als wäre es ein Durchgang und kein Wasserbecken.«
»Das also war das Portal, von dem Arcad gesprochen hat«, murmelte Corrya leise hinter Suvare.
Die junge Frau hielt weiter ihren Blick auf den Anführer der Piraten gerichtet, ohne dem Wachmann zu antworten. Sie hatte lange über ihr Vorgehen nachgedacht, wenn sie auf ihrer Suche nach dem Quelor mit den Piraten zusammenstoßen würde. Was sie sich heimlich gewünscht hatte, war eingetreten. Endlich stand sie dem Hecht erneut gegenüber. Ein Teil von ihr verspürte immer noch Hass auf diesen Mann und brannte darauf, ihn für den Tod von Eivyn und Naram bezahlen zu lassen. Aber trotzdem schien sich irgendetwas geändert zu haben, seitdem sie auf ihrer Flucht in Menelon angekommen war. Die Flamme ihres Zorns brannte nicht mehr so hoch wie zuvor. Es überraschte sie, als hätte sie im Bauch ihrer Tjalk einen Raum entdeckt, der ihr nie zuvor aufgefallen war.
»Diese Zisterne haben wir gesucht«, sagte sie langsam. »Deswegen sind wir hierher gekommen – nicht, um euch in Menelons Auftrag auszuräuchern, falls du das denkst.«
»Ach ja?«, gab Shartan spöttisch zurück. »Das zu glauben fällt mir schwer. Sind die drei Wachhunde an deiner Seite, die das Wappen von Burg Cost tragen, etwa nicht die Handlanger dieser Krämer?«
Aros brummte wütend einen Fluch und hob seine Armbrust ein wenig höher. Sofort traten die Piraten, die ihm gegenüberstanden, mit gezogenen Waffen und grimmigen Gesichtern auf ihn zu. Beinahe gleichzeitig gaben Suvare und Shartan ihren Gefolgsleuten ein Handzeichen. Die Männer auf beiden Seiten hielten inne, doch die
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