Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
Vom Netzwerk:
des Himmels mit einer Vielzahl langer Klingen. Es ist alles andere als ein einladender Ort, wüst und verlassen, aber für die beiden jungen Serephin wird er zum rettenden Anker.
    Als Alcarasán endlich einen der am weitesten herausragenden Ausläufer des Felsens erreicht hat und sich neben Manari auf dem glatten Gestein niederlassen kann, wälzt er sich stöhnend auf den Rücken und bleibt für eine Weile regungslos liegen, bis die Schmerzen der Anstrengung in seinen Gliedern und das Rauschen in seinen Ohren endlich einer erschöpften Stille gewichen sind. Auch seine Schwester rührt sich nicht.
    Erst nach einiger Zeit beginnt sie sich wieder zu regen. Mühsam kriecht sie zu ihm und beugt sich über seinen Körper. Angst liegt in ihrem Blick. »Geht es dir gut?« Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, spricht sie weiter. »Es tut mir so leid! Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen. Erzähl unseren Eltern nichts! Vielleicht haben sie es nicht gespürt, dass wir uns in Gefahr begeben haben. Wir sind doch weit von Gotharnar entfernt.«
    Alcarasán hat sie kaum gehört. Er dreht sich auf die Seite, blickt über den Rand des gezackten Klippenvorsprungs aus schwarzem Gestein hinweg und sieht zum Rand des Vortex hinab. Ein Schauder überfällt ihn, als er in den Wirbel aus roten Wolkenfetzen hinabsieht, dieses glühende Auge, in dessen Hitze er beinahe umgekommen wäre, verbrannt wie ein Falter in den Flammen eines Feuers. Hier oben weht ein kühler Wind über die Felsen, die Glut des Vortex ist nichts weiter als eine Farbe in der Tiefe, aber dennoch hält ihn die Erinnerung an den Schrecken in ihrem Bann.
    »Geht es dir gut?«, hört er Manari noch einmal fragen. Er nickt, schiebt sich vom Rand des Abgrunds fort, dreht sich wieder auf den Rücken wie zuvor. Wenn er könnte, würde er aufstehen und wegrennen oder davonfliegen, weit ins Innere der felsigen Landschaft, die ihnen Zuflucht bietet, nur fort von diesem Schrecken unter ihm. Dabei wäre er im Moment sogar zum Aufstehen zu schwach.
    Sein Blick gleitet an Manaris Gesicht vorbei in die Ferne, bleibt an etwas gleißend Weißem hängen und wird starr. Glänzende Türme erstrecken sich dort in der Ferne zwischen dunklen Felszacken, aus denen sie herauszuwachsen scheinen wie Zähne aus dem Maul eines ungeheuer großen Tieres. Ihre glatte, strahlende Schönheit ist schier überwältigend.
    Alcarasán weiß nicht, welche Stadt es ist, auf deren Felsen sie sich gerettet haben, und es ist ihm auch gleich. Sie bietet Zuflucht und Sicherheit, das ist alles, was zählt. Nur allmählich wendet er seinen Blick von den leuchtenden Türmen ab, während Manari ihn in ihre Arme nimmt und ihn festhält, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.
    »Ich dachte schon, ich würde dich nicht mehr aus dem Wirbel herausbekommen«, murmelt sie kaum verständlich, ihren Mund gegen die Schuppen seiner Wangen gedrückt.
    Er erwidert etwas, heiser geflüstert und kaum verständlich.
    »Was? Was sagst du?«
    Er schweigt. Aber dann vernimmt sie seine Stimme in ihrem Geist.
    Ich liebe dich!
    Es ist das erste und einzige Mal, dass er es ihr sagt, in diesem Moment, während sich ihr Kopf über den seinen gebeugt hat und er hinter ihrem besorgten Gesicht die starken Türme erkennen kann – ein Bollwerk gegen den Abgrund und die Zerstörung. Sie hat ihn nicht im Stich gelassen. Sie hat ihn gerettet.
    »An diesem Tag wären wir beinahe im Vortex umgekommen«, hörte Alcarasán den jungen Mann sagen, der von sich behauptete, Manari zu sein.
    »Zum ersten Mal warst du nahe daran, mit allem, was du bist, ausgelöscht zu werden. An diesem Tag hast du dich für die Ordnung entschieden. Ich konnte es in deinen Gedanken lesen.«
    »Wie ... konntest du das wissen?«, stieß Alcarasán hervor.
    Ranár lachte kopfschüttelnd. »Weil ich die bin, die ich bin. Glaubst du es mir etwa immer noch nicht? Nur ich konnte das wissen, denn nur ich war damals an deiner Seite. Unsere Eltern ahnten natürlich, dass irgendetwas vorgefallen war. Aber du weißt selbst, dass sie uns niemals dazu ausfragten. Es war uns ja nichts geschehen.« Mit wieder ernster Miene trat er nahe an Alcarasán heran. »Denk nicht, ich würde mich darüber lustig machen, wie schwer es dir fällt, mir zu glauben. Wenn ich meine Gestalt im Spiegel betrachte, würde ich am liebsten meine Fäuste in das Spiegelbild schlagen und diesen gestohlenen Körper mit den Scherben blutig schneiden, mein wahres Ich aus ihm herausschälen! Aber ich bin Manari. Mein

Weitere Kostenlose Bücher