Runlandsaga - Wolfzeit
Andostaan vor«, ließ sich Escar hinter Enris vernehmen. Er starrte auf seine Füße, während er den anderen folgte. »Marla, Hestian, seine beiden Söhne ... du warst auch dabei, Corrya, erinnerst du dich?« Ohne eine Antwort abzuwarten, hob er seinen Kopf und fuhr laut fort. »Jetzt stecken wir mittendrin im Vellardinfest. Wir mussten es nicht einmal vorbereiten. Ist das nicht großartig?« Um seinen Mund zuckte es, als müsste er ein Lachen unterdrücken.
»Lass das!«, gab Tolvane im Gehen zurück. Der alte Mann rang nach Atem. »Du tust dir nur selbst weh – und uns auch.«
Escar schwieg.
Die Straße gewann allmählich an Höhe. Als Enris kurz über die Schulter zurücksah, konnte er den Hafenvorplatz und die Piere mit den Schiffen in der Ferne erkennen, bevor dieser Ausblick im Weitergehen hinter einer Biegung verschwand. Die Gebäude, die sie passierten, waren hauptsächlich Häuser mit Läden zur Straßenseite hinaus. Noch waren diese Geschäfte geöffnet, wenn sich anscheinend auch bei weitem mehr Leute draußen aufhielten als drinnen.
Schließlich hatten sie das Ende der Hauptstraße und damit auch den Rand von Menelon erreicht. Ein Teil der Stadtmauer umfriedete ein langgezogenes, hölzernes Gebäude, dessen Ähnlichkeit mit der Ratshalle von Andostaan Enris sofort auffiel. Doch es war nur der Vorbau zu einem weiteren dahinterliegenden Gebäude, einem breiten Turm ähnlich, einem übergroßen, senkrecht aufgestellten Mauerstein.
Der einzige Durchgang zu der Anlage war mit einem schweren Eisentor versperrt. Ein Mann in Lederrüstung, bewaffnet mit einem Spieß und einem Schwert im Gürtel, stand davor Wache. Seine Brust zeigte das Wappen von Menelon, ein Schiff auf den Wellen mit einem Seeadler, der fast ebenso groß geraten war wie das Schiff und darüber hinwegflog.
Suvare ging auf ihn zu. Sofort nahm der Mann eine aufmerksame Haltung an. Er war noch recht jung, kaum älter als sie selbst.
»Gibt es ein Problem?«, fragte er.
»Wir müssen den Rat der Stadt sprechen«, verlangte Suvare in festem Ton. Sie deutete auf die Gruppe hinter sich. »Diese Leute sind heute mit meinem Schiff hier angekommen. Es sind Flüchtlinge aus Andostaan. Die Stadt wurde vor mehreren Tagen angegriffen und niedergebrannt.«
Der Mann blinzelte überrascht. »Niedergebrannt?«, wiederholte er.
»Bis auf die Grundmauern«, bestätigte Suvare. Das konnte sie zwar nicht wissen, denn schließlich waren sie auf die offene See entkommen, als die Stadt noch in Flammen stand, aber natürlich war es naheliegend.
»Von wem, bei den Göttern? Doch nicht etwa von einem Clansheer aus Ansath?«
»Nein, es waren keine Krieger aus den Nordprovinzen. Sie kamen ... von weiter her.« Noch bevor der Mann seinen Mund zur nächsten Frage öffnen konnte, setzte Suvare hinzu: »Es sind eine Menge Flüchtlinge auf dem Landweg hierher unterwegs. Ihr solltet Wachen abstellen, die ihnen entgegenkommen und sie sicher hierher bringen. Und der Rat der Stadt muss benachrichtigt werden! Vielleicht ziehen die Angreifer weiter nach Menelon!«
Der Wachmann schnappte hörbar nach Luft. »Moment mal!« Er hob abwehrend seine Hand. »Das ist alles ein wenig viel auf einmal.« Plötzlich runzelte er misstrauisch die Stirn. »Das ist doch ein Scherz, oder? Heute ist Vellardin, und ihr macht euch einen Spaß daraus, uns von der Wache einen Bären aufzubinden!«
Arene drängte sich plötzlich nach vorn. Im ersten Moment erschien es Enris, dass ihre Augen vor Zorn funkelten, aber dann sah er, dass Tränen darin schwammen. »Sieh uns doch an!«, rief sie mit überschnappender Stimme. »Sieh uns an, verflucht noch mal! Sehen wir so aus, als ob wir Späße machen würden? Unsere Verwandten und Freunde sind tot. Unsere Heimatstadt ist zerstört, und alles, was wir noch besitzen, tragen wir am Leib.«
Enris bemerkte, dass mehrere der Feiernden auf der Straße neugierig zu ihnen herüberstarrten. Einer näherte sich ihnen, dann ein Zweiter.
Der Wachmann kratzte sich unter dem Helmrand an der Stirn. Mit seinem verwirrten Gesichtsausdruck wirkte er nun auf Enris sogar noch jünger. »Aber ... aber das ist doch nicht möglich!«, brachte er schließlich heraus. »Heute ist Vellardin ...«
Larcaan verdrehte mit einem lauten Seufzen die Augen.
»Ay«, sagte Suvare schnell. »Heute ist Vellardin. Und deswegen holst du jetzt schleunigst deinen Vorgesetzten, solange es in diesem Irrenhaus von einer Stadt noch ein paar halbwegs nüchterne Leute mit Waffen in ihren
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