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Runterschalten!

Runterschalten!

Titel: Runterschalten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Sponagel
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rufen nicht an. Inzwischen habe ich gelernt, Kollegen sind keine Freunde. Aber wer hält noch zu einem, wenn man jahrelang keine Zeit hatte für Freundschaften?“
    Für diesen Klienten war die plötzliche Isolation nach dem Arbeitsplatzverlust so schlimm, dass er jeden Tag in eine Stadtbibliothek ging, um das Gefühl zu haben, „unter Menschen“ zu sein.
    Tipp
    An der „gefühlten Arbeitswirklichkeit“ hängt mehr, als wir uns bewusst machen. Der moderne Mensch und besonders der moderne Mann identifiziert sich mit dem Beruf. Ist der Beruf weg, ist das Selbst, für einen Moment jedenfalls, auf Tauchstation.
8. Unsicherheit, als Mann, als Frau
    Wenn hier meistens die Rede war von Herrn Schmidt, ist das kein Zufall. Wir haben eine Norm-Karriere und Norm-Arbeitsverhältnisse betrachtet, und diese Norm wird nach wie vor von männlichen Berufstätigen verkörpert.
    Es ist ein alter Hut, dass wir bestimmte Klischeevorstellungen haben von dem, was männlich ist und weiblich, also beispielsweise „Führung“ als männlich ansehen und „Emotionalität“ als weiblich. Es kommt uns so vor, als ob das immer schon so gewesen sei und eben irgendwie „naturgewollt“. Aber wenn wir genau hinschauen, sehen wir, dass es auch Männer gibt, die nicht führen können und auch Frauen, die kaum emotional sind. Solche Auffassungen von „Natur“ dienten als Rechtfertigung für die bürgerliche Gesellschaftsordnung und sind bis heute in manchen Hinterköpfen.
    In Bezug auf Männer und Frauen im Berufsleben hat die Normierungs-Maschine eine Unwucht, denn Chancengleichheit gibt es nicht. Ein Beispiel von vielen: In den USA ist im Mai 2010 ein Schweizer Pharmakonzern zu Wiedergutmachungen in Höhe von 3,36 Mio Dollar verurteilt worden: Die Jury des New Yorker Bundesbezirksgerichts fand, dass dort Frauen bei Beförderungen übergangen wurden, dass ihnen nicht der gleiche Lohn ausgezahlt und dass Schwangere benachteiligt wurden.
    Auch hierzulande ist das so, nur klagt kaum jemand dagegen. Frauen verdienen bei gleicher Position bis zu 24 Prozent weniger als Männer. Männer arbeiten kaum in Teilzeit, gegenwärtig sind es zu 88,2 Prozent Frauen, die in schlecht bezahlten Teilzeitjobs arbeiten.
    Männer, die in Elternzeit gehen, haben mit Repressalien zu rechnen, wenn sie wiederkommen. Ein Klient berichtet, nach kurzem Vaterschaftsurlaub habe er seinen Aufgabenbereich in der IT nicht wiedererkannt. Sein Vorgesetzter sagte ihm, „so einen wie dich brauchen wir hier nicht“.
    Männer sehen sich gedrängt, überkommene Männlichkeitsbilder zu „bedienen“ und zu schuften bis zum Umfallen, indem sie das „Konkurrenz-Prinzip“, das allgemein als „männlich“ gilt, übererfüllen.
    Manche glauben, es wäre besser, das leidige Thema unter den Teppich zu kehren. Die Welt ist so, wie sie ist, basta. Aber wie ist sie denn? Das Leben stellt uns einfach die Frage nach unserem Rollenverständnis, ob wir sie hören wollen, oder nicht. Männer und Frauen haben die Aufgabenverteilung in Partnerschaften und Familien zu klären. Sie wollen wissen, inwieweit der Beruf zu ihnen und ihrem Selbstverständnis passt.
    Aber auch dem Single stellt sich diese Frage. Kann ein Mann „Pfleger“ sein und immer noch männlich? Kann eine Frau Tontechniker oder „Entscheider“ sein und immer noch weiblich? Klar können sie das. Aber das bedeutet das Ende der „Eindeutigkeit“. Es bedeutet, dass ein erhöhter Klärungsbedarf besteht über die Aufgaben und Erwartungen, die Mann und Frau haben. Das neue Rollenmodell ist aufwendiger, kostet mehr Energie, und im Berufsleben ist es noch nicht angekommen. Solange das Wirtschaftssystem so genannte männliche Eigenschaften belohnt, wird es für alle, die anders sind, anstrengend sein.
    Wir haben das Leben und Arbeiten in Echtzeit kennengelernt. Mittlerweile sind wir reif fürs Runterschalten. Das bedeutet, sich von den Binsenweisheiten der Echtzeit-Welt zu verabschieden. Wer runterschalten will, sollte auch die eigenen Rollenkonzepte überdenken.
    Schluss mit der Selbst-Losigkeit
    Nehmen wir mal an, wir sind nicht nur „Mecker-Männer und -Frauen“, und an der gefühlten Arbeitswirklichkeit, wie sie hier beschrieben wird, ist etwas Wahres dran. Dann würden unglaublich viele Menschen schädliche Arbeitsbedingungen

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