Runterschalten!
Runterschalten. Das bedeutet auch loslassen. Loslassen von der Verantwortung, loslassen von dem Gedanken, du musst bei allem dabei sein. Ich muss den anderen bevollmächtigen und ihm auch erlauben, Fehler zu machen.
Für mich persönlich muss ich jetzt nicht mehr so viel durchplanen. Wenn ich mir zum Beispiel etwas vornehme, brauche ich kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich es doch nicht mache. Ich kann mir sagen, das ist völlig okay. Ich muss nicht mehr innerliche Listen abarbeiten. Da ist also viel mehr Gelassenheit in meinem Leben.
Fehlt Ihnen etwas aus Ihrem früheren Leben: Status, Inhalte oder Herausforderungen?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich sehe mit Interesse junge, aufstrebende Kollegen, die auch den Biss haben und denke â das brauche ich nicht mehr.
Sind Sie jetzt auch finanziell zufrieden?
Ja, vollkommen.
Wenn Sie jetzt zurückblicken, würden Sie bestimmte Dinge in Bezug auf die Kursänderung anders machen, wenn ja, welche?
Nein. Alles ist rundum wunderbar.
Inwieweit brauchten Sie zum Runterschalten Ihre eigene Steuerleistung? Konnten Sie unterwegs auch mal driften?
Ich denke, es war ein Wechsel zwischen beidem. Das Driften lerne ich jetzt immer besser. Ohne dass ich dabei denke, jetzt warst du nicht produktiv. Früher musste ich auch am Sonntagkleine Dinge erledigt haben, um zu sagen, dieser Tag ist ein gelungener Tag. Und jetzt ist es auch völlig okay, einen Tag mal nichts zu machen.
Was würden Sie anderen Menschen raten, die auch vorhaben, runterzuschalten?
Auf das eigene Leben zu schauen und auf das Gefühl zu hören und sich zu fragen, ob ich in diesem Leben die Akzente auf die Dinge setze, die mir wichtig sind. Ich würde auch raten, nichts zu überstürzen. Das Runterschalten ist ein Prozess. Man sollte nicht sagen, ich habe jetzt zu viel Stress, also ändere ich sofort etwas daran. Sondern es ist wichtig, temporären von längerfristigem Stress zu unterscheiden und zu erkennen, ob ein Gefühl entsteht, das nicht mehr weggeht und das zeigt, das sich etwas ändern muss. Und dabei gibt es die verschiedensten Formen. Ich war mir ja auch nicht sofort im Klaren, was für mich die Lösung ist. Aber genauso, wie man Karrierewege mitgestalten kann, kann man auch das Runterschalten und die eigene Vision davon gestalten.
Kurswechsel total: Ein ganz anderer Job
Die dritte Variante, die Sie haben, um runterzuschalten, ist angestellt zu bleiben, aber einen ganz neuen Job zu ergreifen.
Der Wunsch, in der Mitte des Lebens noch mal etwas ganz anderes zu machen, kommt häufig vor. Viele sind in ihrem Beruf erfolgreich, der Kontostand ist prima, aber die Sinnfrage wird immer lauter: âSoll es das wirklich beruflich gewesen sein? Will ich so weitermachen bis zur Rente?â
Von Institutionen und Berufsberatern wird eine solche Kehrtwendung ungern unterstützt â das Motto heiÃt: âSchuster, bleib bei deinen Leisten.â Die Berufswahl soll aus dieser Sicht eine einmalige Investition sein â diese Auffassung ist allerdings längst von der Wirklichkeit überholt worden. Es gibt kaum mehr ein Berufsfeld, das als krisenfest oder sicher gelten kann â Lebensverhältnisse unterliegen einem permanenten Wandel. Schon allein deshalb sollte man in der Lage sein, auch in der Mitte des Lebens neue berufliche Wege zu finden. Allerdings: Auch die neue Berufswahl wird eine Investition sein â sie wird einiges an Zeit, meistens aber auch einiges an finanziellen Mitteln kosten.
In den USA, die ja ohnehin eine Kultur des Neuanfangs pflegen, ist die berufliche Umorientierung nach gewisser Zeit der Berufstätigkeit weit verbreitet. Dort hat man nicht eine, man hat mehrere Karrieren. Der Neustart wird dort auch als weniger bedrohlich empfunden als hier im Land der Risiko-Aversen, wo die Offenheit für solche neuen Wendungen im Leben geringer zu sein scheint.
Aber dennoch. Falls Sie einen Bekanntenkreis zwischen 40 und 50 haben, machen Sie doch mal eine kleine private Stichprobe â wahrscheinlich wird es Sie wundern, wie viele Ihrer Bekannten schon eine Zweitkarriere angefangen haben.
Ohne Zweifel ist so ein Berufswechsel eine groÃe Herausforderung, gerade weil sich die âZweitkarriere-Optionâ noch nicht so herum gesprochen hat. Zwei Fähigkeiten sind unabdingbar für diesen Prozess: die Fähigkeit zu lernen, also auch neues fachliches Wissen zu erwerben, und ein seelischer
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