Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
Vom Netzwerk:
Neue, und ihr Schrei
löste einen weiteren Schauer roten Regens aus. Über den Straßen des
Respektorats hatten sich an die fünfzig fliegende Teppiche in Kampfformation
um die Insultana gruppiert und wogten sanft im Wind. Auf jedem Teppich stand
ein schlanker, hochgewachsener, Betelnuss kauender Otter, der lange, leuchtend
rote Betelsaftstrahlen aufs Respektorat spuckte und die grauen Häuser, grauen
Straßen und grauen Bewohner mit scharlachroter Verachtung überzog. Zudem
schleuderten die Otter verfaulte Eier in rauen Mengen herab, und der Gestank
von Schwefeldioxid breitete sich aus. Nach den verfaulten Eiern kam das
vergammelte Gemüse. Es war wirklich ein ganz erstaunlicher Angriff, am
empfindlichsten aber traf wohl die Version der Nationalhymne von «Ich», die
aus dem Megafon der Insultana auf das Respektorat herabschallte. Mit einer
hohen, klaren Stimme, die Luka seltsam vertraut vorkam, auch wenn er sie im
Moment nicht einordnen konnte, sang die Insultana:
     
    Die Welt
ist nicht flach, sie ist rund. Zwei und zwei macht vier, nicht fünf. Euer Boss
ist ein Niemand, ein Depp. Vor der Ratte haben wir keinen Respekt! Vor der
Ratte haben wir keinen Respekt!
     
    Platsch!
Klatsch! Krawumm! Auf den Straßen herrschte ein schrecklicher,
schmutziger Tumult. Die bombardierten Ratten sprangen hoch in die Luft und
schlugen hilflos mit den Klauen um sich, doch die Kohorten der Insultana
flogen außer Reichweite hoch über ihren Köpfen dahin.
     
    's ist
nicht richtig rum, wenn's falsch ist, Schwarz ist schwarz, nicht etwa weiß, Und
Quieken ist ein entsetzliches Geräusch. Nein, kein Respekt für euer Recht, Kein
Respekt für euer Recht!
    «Wir
müssen von hier verschwinden», rief Luka und rannte auf die Straße. Die
Grenzstation, hinter der die Argo ankerte,
lag allerdings ein Stück die Straße hinunter, und ehe Luka auch nur zehn
Schritte gelaufen war, troff er vor Betelsaft, außerdem hatten ihn verfaulte
Eier und eine gammelige Tomate erwischt. Ihm fiel auf, dass sein Lebenszähler
in der oberen linken Blickfeldecke bei jedem Treffer der Luftflotte eine Ziffer
rückwärtszählte, und sagte sich gerade, dass er es trotzdem versuchen wollte,
als Nobodaddy ihn am Kragen packte und zurück unter die Markise zog. «Dummer
Junge», sagte er, wenn auch nicht unfreundlich. «Tapfer, aber dumm. Die Idee
bringt's nicht. Außerdem solltest du zumindest speichern, ehe du den
schwierigsten Weg wählst.»
    «Wo ist
der Speicherpunkt?», fragte Luka, wischte sich den Glibber aus den Augen und
pflückte eine Tomate aus seinem Haar. Nobodaddy streckte eine Hand aus. «Da»,
sagte er. Luka schaute in die Richtung, in die Nobodaddys Finger wies, und
sein Blick fiel auf eine herbeieilende Phalanx der größten, grimmigsten Nager,
die er je gesehen hatte. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet und ballerten
wie wild in den Himmel. Die Respekto-Ratten, natürlich, die gefürchtetste
Truppe des Respektorats, hinter denen - wie typisch, führt von hinten, beweist
doch mal wieder, was für eine Ratte er ist, dachte Luka - die Oberratte
höchstpersönlich kam, die genauso aussah wie ... na ja, jetzt lieber nicht
daran denken, ermahnte sich Luka. Und in einiger Entfernung hinter dieser
heranrückenden Armee erhob sich das graue Ratthaus mit seinem grauen Dom, an
dessen höchstem Punkt das einzig goldene Objekt dieser grauen Welt in der
Sonne funkelte, eine kleine Kugel. «Das da?», rief Luka. «So hoch oben? Wie
soll ich denn da hinkommen?»
    «Ich habe
nicht gesagt, dass es einfach werden würde», erwiderte Nobodaddy. «Aber du hast
ja noch neunhundertneun Leben übrig.»
    Am Himmel
über ihm wichen die Otter auf ihren fliegenden Teppichen den Geschossen der
Respekto-Ratten mit lässiger Mühelosigkeit aus, flogen von links nach rechts,
von oben nach unten, schwankten hin und her und sangen alle gemeinsam:
     
    Eijaja,
Eijaja,
    Wir
stöhnen alle eijaja, Da ihr blöde Tyrannen seid Und euer Hirn ein einz'ger
Brei. Respekt? Glaubt ihr das etwa echt? Denn euer Einfluss, der ist schlecht!
Hört ihr uns lachen, heihaha? Das geschieht euch allen recht!
     
    «Also
gut», sagte Luka. «Ich hab genug von dieser Gegend. Wenn das da oben der Knopf
ist, den ich drücken muss, dann setze ich mich wohl besser in Bewegung.» Und
ohne eine Antwort abzuwarten, rannte er, so schnell er konnte, durch die
kriegsverwüsteten Straßen.
    Obwohl Bär
und Hund versuchten, ihm den Rücken frei zu halten, erwies sich die Aufgabe als
nahezu unmöglich. Der

Weitere Kostenlose Bücher