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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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anständig
benehmen. In dieser Hinsicht sind wir ziemlich dünnhäutig. Stecht ihr uns, so
bluten wir, und wenn wir bluten, lassen wir euch doppelt bluten: Ist das klar?»
    «Absolut
klar», erwiderte Luka höflich.
    «Absolut
klar was?», fauchte die Grenzratte.
    «Absolut
klar, Sir», antwortete Nobodaddy. «Keine
Sorge, Sir. Wir werden das A und O des Anstands schon wahren.»
    «Und was
ist mit den übrigen vierundzwanzig Buchstaben des Alphabets?», fragte die
Grenzratte. «Ihr richtet bestimmt jede Menge Unsinn an, wenn ihr bloß auf die
As und Os achtet.»
    «Na schön,
Sir», setzte Luka rasch hinzu, «dann behalten wir auch die restlichen
Buchstaben im Auge.»
    «Jemand
von euch weiblich?», verlangte die Grenzratte plötzlich zu wissen. «Dieser
Hund da, ist das eine Hündin? Und der Bär, ist das eine ... Bärine? Eine
Barette?»
    «Bärine,
so weit kommt's noch», sagte Hund der Bär. «Jetzt bin ich hier aber derjenige,
der gleich beleidigt ist.»
    «Und ich
auch», sagte Bär der Hund. «Nicht dass ich was gegen Hündinnen hätte.»
    «So eine
Unverschämtheit!», kreischte die Grenzratte. «Ihr behauptet, beleidigt zu sein?
Ich finde, das ist eine tödliche Kränkung. Und wer eine Ratte tödlich kränkt,
der hat alle Ratten schwer gekränkt. Und eine schwere Kränkung aller Ratten ist
ein Verbrechen, ein todbringendes Verbrecher), das zur Strafe ...»
    «Wir
entschuldigen uns, Sir», unterbrach Nobodaddy ihn hastig. «Können wir jetzt
gehen?»
    «Oh, na
ja, also gut», gab die Grenzratte nach. «Aber benehmt euch. Ich habe keine
Lust, euch die Respekto-Ratten auf den Hals schicken zu müssen.» Respekto-Ratten,
allein der Name gefiel Luka ganz und gar nicht.
    Sie
verließen die Grenzstation und fanden sich in einer grauen Straße wieder: die
Häuser, die Vorhänge vor den Fenstern, die Kleidung von Ratten und Menschen
(ja, es gab auch Menschen hier, wie Luka erleichtert feststellte), alles grau.
Die Ratten selbst waren ebenfalls grau und die Menschen von gräulicher Blässe.
Am Himmel ließen graue Wolken neutrales Sonnenlicht durchsickern. «Seit einer
Weile gibt es hier ein kleines Farbproblem», sagte Nobodaddy. «Die Ratten, die
den Farbton Gelb wegen, na ja, wegen seiner Käsigkeit hassten, wurden von
Ratten angepöbelt, denen der rote Farbton missfiel, weil er sie an Blut
erinnerte. Da irgendwem immer die eine oder andere Farbe missfiel, wurden
schließlich alle Farben vom Ratthaus verbannt - so heißt hier übrigens das
Parlament, dessen Mitglieder allerdings nie auch nur mit einer einzigen Stimme
vom Volk gewählt wurden, da es sich stets selbst wählt und im Grunde nur macht,
was die Überratte sagt.»
    «Und wer
hat für den Überrattenmann gestimmt?», fragte Luka.
    «Er für
sich selbst», sagte Nobodaddy. «Er stimmt sogar ständig für sich selbst, quasi
jeden Tag, einfach weil er es so toll findet. Man nennt ihn deshalb auch den
Überstimmer.»
    «Überstimmer,
dass ich nicht lache», schnaubte Hund der Bär verächtlich, doch eine Reihe von
Ratten drehte sich abrupt nach ihm um. «Vorsicht», warnte ihn Nobodaddy. «Hier
sind alle immerzu auf Ärger aus.»
    Im selben
Moment fiel Lukas Blick auf eine riesige Reklametafel mit dem überlebensgroßen
Schwarzweißporträt einer Ratte, bei der es sich nur um die Überratte
höchstpersönlich handeln konnte. «Ach, du meine Güte», sagte er, als ihm
auffiel, dass die Überratte, sollte sie sich je in einen Menschen verwandeln -
sollte sie, um genau zu sein, je als fieser zwölfjähriger Schuljunge aus Kahani
wiedergeboren werden -, dass sie dann genau wie ... ja, ganz richtig, dass sie dann genau
wie...
    «Rattenschiet»,
flüsterte Luka. «Aber das ist doch nicht möglich.» Bär der Hund starrte
ebenfalls auf die Reklamewand. «Ich sehe, was du meinst», sagte er. «Da können
wir nur hoffen, dass er in dieser magischen Welt nicht auch dein Feind ist.»
     
    *
     
    Hier gab
es was zu essen! Auf dem Schild über der Tür stand Alices
Restau-Rat, und das war leider kein Schreibfehler. Luka schaute durch
das Fenster und stellte einigermaßen beruhigt fest, dass Köche und Personal
ausnahmslos Menschen waren, die meisten Gäste schienen allerdings Ratten zu
sein. Trotzdem hatte er Bedenken. Womit sollten er und seine Freunde ihr Essen
bezahlen? «Keine Sorge», sagte Nobodaddy. «In der magischen Welt gibt es kein
Geld.»
    Luka war
erleichtert. «Aber wie kann man dann, also, ich meine, wie kauft man dann etwas
ein? Wie funktioniert das? Ist ja

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