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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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meinen Hirnwänden zu kratzen, aber jetzt
muss ich gehen und mich von meiner Frau verabschieden. »
    Gaglioffo krümmte sich keuchend und presste sich vor
Seitenstechen die Hände in den Leib. «Nein, mein Herr»,
keuchte er, «vielleicht nicht. Sie tragen eine andere Livree. Verdammte Ausländer, Herr, kommen bestimmt aus
Ligurien oder von noch weiter her. Und Frauen sind auch
dabei. Frauen, ausländische Frauen, Herr, wenn man die
beiden Hexen ansieht, packt einen das Fickverlangen wie
die Schweinepest. Fickt mich, Herr, wenn ich lüge.»
    Diese Leute waren gute Leute, dachte Il Machia, diese
wenigen Leute, seine Leute, aber im Allgemeinen waren
die Florentiner Verräter. Sie waren es, die die Republik
verraten und die Medici zurückgeholt hatten. Leute hatten ihn verraten, denen er als wahrhafter Republikaner zu
Diensten gewesen war, als Sekretär der Zweiten Kanzlei,
reisender Diplomat und Gründer der florentinischen Miliz. Nach dem Sturz der Republik und der Entlassung des
Gonfaloniere Piero Soderini, des Vorsitzenden des Regierungsrates der Republik, war auch Il Machia entlassen
worden. Nach vierzehn Jahren treuer Dienste bewies das
Volk, dass es nichts auf Treue gab. Die Leute waren närrisch nach Macht. Sie hatten zugelassen, dass man Il Machia in die Eingeweide der Stadt zu den wartenden Folterknechten schleppte. Solchen Leuten kam es nicht zu,
dass man sich um sie sorgte. Sie verdienten keine Republik. Solche Leute verdienten einen Despoten. Vielleicht
waren alle Menschen so, überall, nur seine Bauern nicht,
mit denen er trank, Karten und Tricktrack spielte, ein
paar alte Freunde vielleicht auch nicht, Agostino Vespucci zum Beispiel; zum Glück hatten sie Ago nicht gefoltert, er war nicht stark und hätte alles und jedes gestanden, und dann hätte man ihn umgebracht, natürlich
nur, falls er nicht schon unter der Folter gestorben wäre.
Doch von Ago, der jünger als Il Machia war, hatten sie
nichts gewollt. Il Machia war es, den sie töten wollten.
    Sie hatten ihn nicht verdient. Seine Bauern verdienten
ihn, doch im Allgemeinen verdiente das Volk seine grausamen, seine geliebten Fürsten. Der Schmerz, der ihm
durch den Leib fuhr, war kein bloßer Schmerz, sondern
eine Erkenntnis. Es war ein erzieherischer Schmerz, der
die letzten Bruchstücke seines Vertrauens ins Volk tilgte.
Er hatte dem Volk gedient, und er hatte mit Schmerzen
gezahlt, dort, an jenem lichtlosen, unterirdischen Ort,
einem Ort ohne Namen, an dem namenlose Menschen
Leibern, die ebenfalls keinen Namen besaßen, namenlose
Dinge antaten, da Namen dort nicht zählten, nur der
Schmerz zählte, Schmerz, dem das Geständnis folgte,
dann der Tod. Die Leute wollten seinen Tod, zumindest
kümmerte es sie nicht, ob er lebte oder starb. In der Stadt,
die der Welt die Idee vom hohen Wert und von der Freiheit der individuellen Menschenseele schenkte, gab man
nichts auf ihn und scherte sich die Bohne um die Freiheit
seiner Seele, ebenso wenig wie um seine Unverletzlichkeit. Vierzehn Jahre seiner ehrlichen und achtbaren
Dienste hatte er ihnen gewidmet, doch sie hatte sein Leben keinen Deut gekümmert, sein Recht, am Leben bleiben zu dürfen. Solche Leute musste man einfach übersehen. Zu Liebe oder Gerechtigkeit waren sie nicht fähig,
und deshalb waren sie auch nicht weiter von Bedeutung.
Auf solche Leute kam es nicht an. Sie waren weder primär noch sekundär, nur Despoten zählten. Die Liebe des
Volkes war launisch und unbeständig, nach solcher Liebe
zu streben war dumm. Es gab keine Liebe. Es gab nur die
Macht.
Nach und nach war ihm alle Würde genommen worden.
Man verbot ihm, den Stadtbezirk von Florenz zu verlassen, dabei war er ein Mensch, der gern reiste. Man verbot
ihm, den Palazzo Vecchio zu betreten, in dem er doch so
viele Jahre gearbeitet hatte, in den er gehörte. Von seinem Nachfolger, einem gewissen Michelozzi, Speichellecker der Medici und widerlicher Kriecher, wurde er
wegen möglicher Veruntreuung verhört, doch war er ein
ehrlicher Diener der Republik gewesen, weshalb man
kein Anzeichen irgendeiner Missetat entdecken konnte.
Dann fand man seinen Namen auf einem Stück Papier in
der Tasche eines Mannes, den er nicht kannte; also wurde
er eingesperrt und an den namenlosen Ort gebracht. Der
Mann hieß Boscoli, ein Idiot, einer von vier Idioten, dessen Komplott gegen die Medici so überaus idiotisch war,
dass es aufflog, ehe sie damit auch nur begonnen hatten.
In Boscolis Tasche steckte eine

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