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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Abstecher zu anderen Frauen, nicht allein zur
singenden Barbera, auch zu einer Dame in der Nachbarschaft, deren Mann ohne ein Wort des Abschieds einfach
davongelaufen war, doch munterten ihn diese Besuche
nicht mehr auf. Voller Neid dachte er des Öfteren an den
fortgelaufenen Gatten und überlegte ernsthaft, eines
Nachts selbst zu verschwinden. Seine Familie könnte er
glauben lassen, er sei tot, und wenn er auch nur die geringste Ahnung gehabt hätte, was er danach mit seinem
Leben anfangen sollte, hätte er diesen Plan vielleicht sogar in die Tat umgesetzt. Stattdessen brachte er untertänigst die Überlegungen und Einsichten seines Lebens in
jenem kurzen Buch zu Papier, das er in der Hoffnung
schrieb, damit die Gunst des Hofes wiedererlangen zu
können, sein kleines Fürstenspiegelstück, ein derart düsterer Spiegel allerdings, dass er selbst fürchtete, es würde
keinerlei Gefallen finden. Aber sollte Weisheit nicht höher geschätzt werden als Leichtfertigkeit, Klarheit nicht
höher als Lobhudelei? Er widmete das Buch Giuliano de’
Medici und schrieb den gesamten Text von eigener
Hand; als aber Giuliano starb, schrieb er das Buch noch
einmal, diesmal für Lorenzo. In seinem Herzen wusste er
jedoch, dass ihn die Schönheit auf immer verlassen hatte,
dass kein Schmetterling sich auf einer verwelkten Blume
niederlässt, und das machte ihm mehr zu schaffen als
alles andere. Er hatte in ihre Augen geschaut, und sie
hatte ihn welken sehen und sich von ihm abgewandt. Es
war, als hätte man ihn zum Tode verurteilt.
Als Argalia kam, seine Frau zu holen, verbrachte Il Machia mit dem neuen General von Florenz zwanzig Minuten allein in seiner Bibliothek. «Mein Leben lang», erzählte Argalia, «schon seit ich ein kleiner Junge war, hat
mein Motto gelautet: Tu, was du zu tun hast, um dahin zu
kommen, wohin du willst. Ich habe überlebt, weil ich
herausfand, was mir am meisten nützte, und diesem Stern
bin ich stets gefolgt, über jedes Treuebündnis, über allen
Patriotismus, über die Grenzen der bekannten Welt hinaus. Ich, ich, immer nur ich. Das ist das Motto der Überlebenden. Sie aber hat mich gezähmt, Machia. Ich weiß,
wie sie ist, denn sie ist immer noch so, wie ich einmal
war. Sie liebt mich, bis es ihr nicht länger nützt, mich zu
lieben. Sie betet mich an, bis die Zeit kommt, in der sie
mich nicht mehr anbetet. Also mache ich es mir zur Aufgabe, diesen Zeitpunkt möglichst lange hinauszuzögern.
Denn ich liebe sie nicht auf diese Weise. Die Liebe, die
ich für sie hege, weiß, das Wohl des Geliebten ist wichtiger als das des Liebenden, wahre Liebe ist Selbstlosigkeit. Qara Köz weiß das nicht, glaube ich. Ich würde für
sie sterben, sie aber nicht für mich.»
«Dann will ich nur hoffen, dass du nicht für sie sterben
musst», sagte Niccolo, «denn das wäre eine Verschwendung deines guten Herzens.»
Einen Moment lang war er auch mit ihr allein, mit ihr
und ih-rem Spiegel, von dem sie unzertrennlich war und
dem, wie Il Machia annahm, wohl ihre wahre Liebe galt.
Er redete mit ihr nicht über Herzensdinge. Das wäre
unangemessen gewesen, unhöflich. Stattdessen sagte er:
«Dies ist Florenz, werte Dame, und Ihr werdet hier ein
gutes Leben führen, denn die Florentiner wissen, wie
man gut lebt. Doch wenn Ihr weise seid, haltet Ihr Euch
immer ein Hintertürchen offen. Ihr plant Euren Fluchtweg und achtet stets darauf, dass er Euch nicht verstellt
wird. Denn wenn der Arno über die Ufer tritt, dann ertrinkt, wer kein Boot besitzt.»
Er schaute aus dem Fenster und konnte über dem Feld,
das sein Lehnsbauer beackerte, die rote Kuppel des Doms
sehen. Auf einer niedrigen Umfassungsmauer sonnte sich
eine Eidechse. Er hörte das wii-/a-wii-lo eines goldenen
Pirols. Eichen und Kastanien, Zypressen und Nusskiefern
unterbrachen und ordneten den Blick. In der Ferne, hoch
am Himmel, kreiste ein Bussard. Die Schönheit der Natur
blieb bestehen, das ließ sich nicht leugnen, doch ihn erinnerte diese bukolische Szene eher an einen Gefängnishof.
«Für mich», sagte er Qara Köz, «gibt es leider kein Entkommen.»
Nach diesem Tag schrieb er ihr oft, gab die Briefe aber
nie auf, und ehe er starb, sah er die Angebetete nur noch
ein einziges Mal. Ago dagegen - Ago, der immer noch
die Stadtfreiheit besaß - suchte sie jeden Monat im Palazzo Cocchi del Nero auf, und sie tat ihm den Gefallen, ihn
gleich neben dem grand salon im Pirolsaal zu empfangen,
so benannt nach den

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