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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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leise, nur um im selben Moment das Gesicht des
Serben Konstantin wie eine Prophezeiung vor ihren Augen auftauchen zu sehen. «Was habt Ihr ihm versprochen», fragte sie, «dass er sich nach all den Jahren der
Freundschaft zu einer solch gemeinen Tat bereit erklärt
hat?» Lorenzo beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr.
«Alles, was er sich nur vorstellen konnte», lautete die
grausame Antwort. Also war sie selbst der Köder gewesen, und Konstantin, der so lange so aufmerksam über sie
gewacht hatte, war durch diese Nähe dazu verleitet worden, sich nach noch größerer Nähe zu sehnen, mehr war
nicht nötig gewesen. Sie war Argalias Untergang. «Er
wird es nicht tun», sagte sie. Lorenzos Griff um ihren
Arm verstärkte sich. «Nun, sollte er es doch tun, Prinzessin», sagte er, «heißt das noch lange nicht, dass der Täter
auch seine Belohnung bekommt.» Ja, sie begriff. Das war
es also, ihr Schicksal. «Nehmen wir nur einmal an, die
Männer kehrten aus der Schlacht zurück, ihren toten
Kommandanten auf dem Schild», murmelte der Mann an
ihrer Seite. «Schreckliche Tra-gödie, gewiss, ein Grab
neben den Gräbern der Helden unserer Stadt und mindestens einen Monat offizielle Trauer. Nehmen wir darüber
hinaus einmal an, dass man Euch und Eure Dienerin sowie all Eure Habe vor seiner Rückkehr von der Via Porta
Rossa zur Via Larga gebracht hätte. Nehmen wir an, Ihr
wärt dort als mein Gast, da Ihr Trost in Eurem entsetzlichen Kummer suchtet. Stellt Euch vor, was mit dem
Feigling geschähe, der den Helden von Florenz ermordet
hat, Euren Geliebten, meinen Freund. Ihr dürft Euch jede
erdenkliche Folter ausmalen, die wir anwenden sollen,
und ich würde Euch garantieren, dass er am Leben bliebe, bis er alle Qualen bis aufs äußerste genossen hat.»
Musik setzte ein. Man bat zum Tanz. Sie sollte eine pavana mit dem Mörder ihrer Hoffnungen tanzen. «Ich
muss nachdenken», sagte sie, und er verbeugte sich. «Natürlich», sagte er, «aber denkt rasch, und ehe Ihr nachdenkt, wird man Euch heute Abend in meine Privatgemächer bringen, damit Ihr versteht, worüber Ihr nachzudenken habt.» Sie blieb auf dem Tanzboden stehen und
schaute ihn an. «Bitte, edle Dame», schalt er sie und hielt
ihre Hand, bis sie sich erneut im Takt bewegte. «Ihr seid
eine Prinzessin aus dem königlichen Hause von Tamerlan
und Dschingis Khan. Ihr wisst, wie es in der Welt zugeht.»
An jenem Abend kehrte sie mit Spiegel heim, nachdem
sie be-wiesen hatte, dass sie wirklich wusste, wie es in
der Welt zugeht. «Es wurde getan, was getan werden
musste, Angelica», sagte sie. «Machen wir uns nun zum
Sterben bereit, Angelica», erwiderte ihr Spiegel. Dies
war der Code, auf den sie und die Prinzessin sich vor
langem geeinigt hatten, und er bedeutete, dass es Zeit
wurde, weiterzuziehen, ein Leben abzustreifen und das
nächste zu suchen, den Fluchtplan umzusetzen und zu
verschwinden. Damit der Plan funktionierte, würde Spiegel, sobald sich die Stadt zur Ruhe begab, in einem langen Kapuzengewand durch den Lieferanteneingang
schlüpfen, durch die schmale Gasse hinter dem Palazzo
Cocchi deI Nero laufen und sich ihren Weg in das Viertel
Ognissanti und zur Haustür von Ago Vespucci suchen.
Doch zu ihrer Überraschung schüttelte Qara Köz den
Kopf. «Wir werden nicht gehen», sagte sie, «ehe mein
Mann nicht lebend zurückgekehrt ist.» Sie besaß keine
Macht über Leben und Tod, und so verließ sie sich nun
auf eine Macht, der sie nie zuvor getraut hatte, auf die
Macht der Liebe.
    Am nächsten Tag führte der Fluss kein Wasser mehr.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich in der Stadt die Nachricht, dass Lo-renzo de’ Medici todkrank sei, und obwohl
es niemand laut aussprach, war doch allgemein bekannt,
dass er am grässlichen morbo gallico litt, an der Syphilis.
Dass der Arno kein Wasser mehr führte, hielt man für ein
schlimmes Omen. Lorenzos Ärzte kümmerten sich rund
um die Uhr um ihren Herrscher, doch seit die Krankheit
zum ersten Mal vor dreiundzwanzig Jahren in Italien
aufgetaucht war, hatten schon so viele Florentiner an ihr
sterben müssen, dass nur wenige Leute mit einem überleben des Herzogs rechneten. Wie immer lastete die eine
Hälfte der Stadt diese Krankheit den französischen Soldaten an, während die andere Hälfte behauptete, die Matrosen des Christoph Kolumbus hätten sie von ihren Reisen mitgebracht, doch hatte Qara Köz für solches Geschwätz nichts übrig. «Das ging schneller, als ich

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