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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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sagte Giuliano bekümmert, während er wie
gewöhnlich in den Zauberspiegel stierte. «Sieh dir nur
das arme Mädchen an. Sie leidet.» Da schrie Filiberta:
«Ich gebe ihr allen Grund zu leiden», und warf die silberne Haarbürste mit solcher Wucht in den Zauberspiegel, dass das Glas zersprang. «Mir geht es nicht gut»,
sagte sie. «Ehrlich gesagt, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nicht so schrecklich gefühlt. Kümmere
dich um meine Gesundheit mindestens so sehr wie um
ihre.»
Die Wahrheit war, dass Qara Köz es übertrieb, dass keine
Frau eine solch ungeheure Anstrengung über einen derart
langen Zeitraum aufzubringen vermochte. Die Verzauberung von vierzigtausend Menschen, Monat um Monat,
Jahr um Jahr, war selbst für sie zu viel. Nur noch selten
gab es Berichte von Wundertaten, dann versiegten sie
ganz. Der Papst verlor kein Wort mehr über eine Seligsprechung.
Und anders als Alanquwa, die Sonnengöttin, besaß Qara
Köz keine Macht über Leben und Tod. Drei Jahre nach
ihrer Ankunft in Florenz erkrankte Giuliano de’ Medici
und starb. Filiberta packte hastig ihr Hab und Gut zusammen, darunter auch die gesamte, ungeheuer wertvolle
Aussteuer, und verschwand auf der Stelle und ohne alle
weiteren Umstände wieder nach Savoyen. «Florenz ist
unter die Fuchtel einer Sarazenenhure gefallen», sagte sie
bei ihrer Heimkehr, «die Stadt ist kein Ort mehr für eine
gläubige Christin.»
18. Zu dem Vorfall mit den Löwen und dem Bären…
    Zu dem Vorfall mit den Löwen und dem Bären war es
wäh-rend der festa für Qara Köz gekommen. Am ersten
Tag hatte der palio stattgefunden, ein Pferderennen, danach gab es ein Feuerwerk. Am zweiten Tag wurden auf
der Piazza della Signoria wilde Tiere freigelassen: Bullen, Büffel, Hirsche, Bären, Leoparden und Löwen. Berittene, aber auch Lanzenträger zu Fuß und in einer riesigen Holzschildkröte sowie einem hölzernen Stachelschwein versteckte Männer kämpften mit den Tieren. Ein
Mann wurde von einem Büffel getötet.
Irgendwann packte der größte Löwe einen Bären bei der
Kehle, um ihn zu töten, als sich zum allgemeinen Erstaunen eine Löwin zugunsten des Bären einmischte und den
Löwen so fest biss, dass er den Bären freilassen musste.
Der Bär erholte sich, doch die übrigen Löwen schnitten
die Löwin, die den Bären gerettet hatte, sodass sie betrübt
den viereckigen Platz ablief, niemanden angriff und allem Anschein nach untröstlich - nicht einmal den Spott
und das Geschrei der Jäger beachtete. In den folgenden
Tagen und Monaten wurde vielerorts über die Bedeutung
dieses merkwürdigen Vorfalls diskutiert. Man war allgemein der Auffassung, dass die Löwin Qara Köz verkörperte, wer aber war dann der Bär und wer der Löwe? Die
Erklärung, die sich schließlich durchsetzte und als Wahrheit etablierte, stammte aus einem anonymen Pamphlet,
dessen Autor - was nur wenige Florentiner wussten -
Niccolo Machiavelli hieß, ein beliebter Theaterschriftsteller und in Ungnade gefallener Politiker. Die Löwin
sei bereit gewesen, sich um des Friedens willen zwischen
ihre eigene und eine fremde Spezies zu stellen. Auf gleiche Weise sei Qara Köz zu ihnen gekommen, um Mächte
miteinander zu versöhnen, die unversöhnlich schienen,
auch wenn sie sich dabei gegen ihr eigenes Volk wenden
musste. «Im Gegensatz zu der Löwin auf der Piazza aber
war diese menschliche Löwin nicht allein. Sie hat und
wird immer wahre Freunde unter den Bären finden.»
So wurde Qara Köz für viele Menschen zum Symbol des
Frie-dens, der Selbstaufopferung im Namen des Friedens.
Es wurde auch allerhand über die «Weisheit des Ostens»
geredet, doch tat sie derlei stets verächtlich ab, sooft es
ihr zu Ohren kam. «Es gibt keine besondere östliche
Weisheit», sagte sie zu Argalia. «Die Menschen sind
überall im selben Maße töricht.»
    Kaum hatten Qara Köz und ihr Spiegel Il Machias Haus
verlassen, spürte er, wie ihn eine bittere Traurigkeit
überkam, eine Traurigkeit, die ihn die restlichen dreizehn
Jahre seines Lebens nicht wieder verlassen sollte. Als ihn
die Macht aus ihren Gemächern vertrieb, hatte er Freunde
verloren, und Ruhm war nur noch eine blasse Erinnerung, doch der Abzug großer Schönheit aus seinem Leben machte das Maß voll. Jetzt, da kein Bann der Zauberin mehr über Percussina lag, hielt er seine Frau wieder
für eine watschelnde Ente und seine Kinder für eine finanzielle Last. Gelegentlich machte er zwar noch einen
kleinen

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