Rushdie Salman
Vogelbildern, die sämtliche mit
dichtem Wald bemalten Wände zierten. Den Karren mit
dem Wein schickte er zum Lieferanteneingang in der
engen Gasse gleich hinter dem Haus, er selbst aber betrat
den Palast nicht als Händler. Er legte seine besten Kleider an, das Hofgewand, für das er in letzter Zeit nur noch
selten Verwendung fand, und stolzierte wie ein alternder
Beau, der seine Liebste besucht, die Via Porta Rossa entlang, das einst gelbe Haar jetzt weiß und schütter an den
Kopf geklatscht, Blumen in der Hand. Er wirkte ein wenig lächerlich, das sah er ihren allzu ehrlichen Augen an,
doch sie bat ihn um etwas, vertraute ihm ein Geheimnis
an. «Wollt Ihr das für mich tun?», fragte sie, und er antwortete: «Wann immer Ihr wollt.» Nur der Spiegel und
die Pirole wussten, was sonst noch gesagt worden war.
Giuliano de’ Medici starb, Lorenzo de’ Medici wurde als
Lorenzo II. Herrscher von Florenz, und die Dinge änderten sich. Drei Jahre lang war von diesen Änderungen
allerdings nur wenig zu spüren. Lorenzo brauchte Argalia
so dringend, wie ihn sein Onkel gebraucht hatte, denn es
war Argalia, der die Männer von Florenz in die Schlacht
gegen Francesco Maria führte, jenen Herzog von Urbino,
den Leo X. gerade betrog. Als sich die Medici im Exil
befanden, hatte Francesco Maria ihnen Zuflucht gewährt,
nun aber wandten sich die Medici gegen ihn, um ihm sein
Herzogtum zu rauben. Er war ein mächtiger Mann mit
einem gut ausgebildeten Heer, weshalb selbst Argalias
Janitscharen drei Wochen brauchten, um ihn zu besiegen.
Am Ende dann waren neun der kampferprobten osmanischen Krieger tot. Auch d’ Artagnan, einer der vier
Schweizer Riesen, befand sich unter den Gefallenen, und
das Wehklagen von Otho, Botho und Clotho war
schrecklich anzuhören. Anschließend schlug Argalia in
den Sümpfen um Ancona die Revolten einiger Barone
nieder, die Francesco Maria treu ergeben waren, und spätestens jetzt war Argalia, der Türke, für Lorenzo einfach
zu mächtig, um offen gegen ihn vorgehen zu können.
Während dieser Zeit übergab Il Machia sein Büchlein
Loren-zos Hof. Er sollte nie ein Wort des Dankes, des
Lobes, der Kritik hören oder auch nur eine schlichte
Empfangsbestätigung bekommen, noch fand man nach
Lorenzos Tod ein Exemplar des Buches unter seinen Besitztümern. Kurz machte die Geschichte die Runde, wie
verächtlich Lorenzo gelacht haben soll, als ihm das Buch
gegeben wurde und er es gleich beiseitewarf. «Der Versager maßt sich an, den Fürsten zu belehren, wie der
Fürst erfolgreich sein könne», sagte er mit vor Sarkasmus
triefender Stimme. «Ein solches Buch muss ich mir natürlich gleich zu Herzen nehmen.» Kaum war das unterwürfige Gelächter der Höflinge verklungen, sorgte er für
eine zweite Welle beflissenen Gejohles. «Eines dürfen
wir allerdings mit Gewissheit behaupten. Sollte man den
Namen von Niccolo Alraune in Erinnerung behalten,
dann gewiss als den eines Komödianten und nicht als
eines Philosophen.» Diese Geschichte kam auch Ago zu
Ohren, doch war er rück-sichtsvoll genug, sie seinem
Freund nicht weiterzuerzählen. Folglich hoffte Niccolo
viele Monate lang auf eine Antwort. Als ihm klar wurde,
dass er keine bekam, ging es mit ihm noch rascher bergab. Das Büchlein aber legte Il Machia beiseite und sollte
es zu seinen Lebzeiten auch nie in Druck geben.
Im Frühling des Jahres 1519 machte Lorenzo dann seinen
Zug.
Er sandte Argalia aus, die Franzosen durch die Lombardei zu treiben, woraufhin der Türke von Florenz sich mit
den Truppen von Francois 1. an mehreren Orten der Provinz Bergamo Scharmützel lieferte. Während seiner Abwesenheit aber richtete Lorenzo auf der Piazza Santa
Croce ein großes Turnier aus, ein Ereignis, jenem Turnier
zu Ehren von Simonetta Vespucci nachempfunden, auf
dem vom älteren Giuliano de’ Medici ein Banner entfaltet
worden war, das den Liebreiz von la sans pareille rühmte.
Qara Köz wurde gebeten, auf den königlichen Rängen
den Ehrenplatz einzunehmen, gleich unter einem blauen,
mit goldenen Lilien verzierten Baldachin. Als Lorenzo
auf sie zuritt, rollte er ein neues Banner aus, eines, auf
dem das von deI Sarto gemalte Antlitz von Qara Köz
prangte, doch waren die Worte gleich: la sans pareille.
«Ich widme diese Spiele der Schönheitskönigin unserer
Stadt, Angelica von Florenz und Cathai», rief Lorenzo.
Qara Köz aber verharrte regungslos und weigerte sich,
ihm ein Zeichen ihrer Gunst zuzuwerfen, einen Schal
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