Rushdie Salman
Anführer der Raushanai vom sechzehnjährigen Jalaluddin ersetzt, seinem jüngsten Sohn.
Birbal reagierte auf diese Entwicklung mit ungezügelter
Wut, denn «Jalaluddin» war auch Akbars Geburtsname,
ein Zufall, der die Unverschämtheit der Raushanai über
die Maßen mehrte. Jahanpanah, es ist an der Zeit, diesen
Beleidigungen die Antwort zu erteilen, die sie verdienen», sagte er. Akbar, den diese so gänzlich unmilitärische Wut sehr amüsierte, willigte ein und gab Birbal freie
Hand. Der Fremdling Mogor dell’ Amore sollte Birbal
diesmal aber nicht begleiten. «Für einen afghanischen
Krieg ist er noch nicht bereit», verkündete der Herrscher
unter allgemeinem Gelächter im Haus der privaten Anhörung. «Er soll bleiben, an unserem Hofe, um uns Gesellschaft zu leisten.»
Der Aufstand war jedoch kein Spaß. Die Bergstraßen
galten als nahezu unpassierbar. Und kaum war Birbal
eingetroffen, um den Illuminati eine Lektion zu erteilen,
geriet er am Malandrai-Pass in einen Hinterhalt. Später
kursierten fiese Gerüchte, die besagten, der Minister sei
von der Truppe fortgelaufen, um die eigene Haut zu retten; andere Gerüchte aber, denen der Herrscher glaubte,
sprachen von Verrat. Vermutlich hatte der Kronprinz bei
alldem eine Rolle gespielt, doch konnte Akbar das nicht
beweisen. Birbals Leiche sollte nie gefunden werden.
Achttausend Mann wurden niedergemetzelt.
Nach der Katastrophe am Malandrai-Pass fühlte sich der
Herrscher lange Zeit sehr elend und war vor Kummer
derart von Sinnen, dass er nichts mehr trank und nichts
mehr aß. Seinem gefallenen Freund zu Ehren schrieb er
ein Gedicht. Du gabst den Hilflosen, wann immer du
konntest, Birbal. Jetzt bin ich der Hilflose, aber du hast
nichts mehr, was du mir zu geben vermagst. Zum ersten
und einzigen Mal schrieb er in der ersten Person, nicht
wie ein König, sondern wie jemand, der um einen geliebten Freund trauert. Und während er noch Birbals Tod
beklagte, schickte er erst Todar Mal, dann Man Singh
aus, um den Aufstand niederzuknüppeln und die Raushanai zu unterwerfen. Überall in den Palästen Sikris gähnte
die Leere, leere Stellen, die drei seiner Neun Juwelen
eingenommen hatten und die kein Geringer füllen konnte. Immer enger schloss er sich folglich Abul Pazl an,
verließ sich immer stärker auf ihn. Und dann hatte er
diesen Gedanken, diesen nahezu skandalösen Gedanken,
den er auch acht Monate nach Birbals Tod noch sorgsam
erwog, am Tag seines vierundvierzigsten Geburtstags, an
dem er zur königlichen Waage ging, um selbst gewogen
zu werden.
Dies war die Frage, auf die er eine Antwort zu finden
versuchte:
Sollte er den Fremdling Mogor dell’Amore, auch als Niccolo Vespucci bekannt, den Erzähler großartiger Geschichten, der so schamlos behauptete, sein Onkel zu
sein, und der bewiesen hatte, welch fähiger Verwalter
und Berater er war, sollte er jenen Mann also, an dem er
solch unerwarteten Gefallen gefunden hatte, zu seinem
Sohn ehrenhalber machen? Der Rang eines farzand gehörte zu den äußerst selten verliehenen, heftig begehrten
Auszeichnungen des Reiches, und jeder, dem dieser Titel
zugesprochen wurde, hatte von Stund an Zugang zum
innersten Kreis des Herrschers. Hatte dieser junge Vagabund, der für ihn eher wie ein jüngerer Bruder als wie
sein Kind (oder sein Onkel, war, eine derartige Ehrung
verdient? Und - nicht weniger wichtig -, wie würde eine
solche Lobeserhebung aufgenommen werden?
Er zeigte sich am jharokha, und die Menge brach in laute
Ju-belrufe aus. Dieser Mogul der Liebe, sinnierte Akbar,
war beim Volk ebenfalls recht beliebt, doch nahm der
Herrscher an, dass diese Popularität viel mit seinem Erfolg im Haus der Kurtisanen unten am See zu tun hatte,
dem Hause Skanda, in dem Skelett und Matratze den Ton
angaben, aber auch mit Qara Köz, ließ sich doch kaum
leugnen, dass die Geschichte von der verschwiegenen
Prinzessin Eingang in den Sagenschatz der Hauptstadt
gefunden hatte und das Interesse der Menschen daran
kaum nachließ. Außerdem wusste das Volk, welche Enttäuschung die Söhne des Königs für ihn waren. Die Zukunft des Herrscherhauses stellte also ein Problem dar.
Der Legende zufolge zog Timur, der Vorfahre der Moguln, noch während seiner Zeit als kleiner Bandit in der
Verkleidung eines Kameltreibers durch die Lande, als er
von einem Bettelmönch angesprochen wurde, einem faqir, der ihn um ein wenig zu essen und einen Schluck zu
trinken bat. «Gebt Ihr mir Nahrung, schenke ich
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