Rushdie Salman
zwölf Mal insgesamt, so in
Gold, Seide, Parfüm, Kupfer, geseihter Butter, Eisen,
Kom und Salz, und die Frauen seines Harems spendeten
jedem Haushalt einen Anteil von diesem Überfluss. Die
Viehzüchter erhielten jeder so viele Schafe, Ziegen und
Hühner, wie ihr Herrscher an Jahren zählte. Eine gewisse
Menge eigentlich für das Schlachthaus bestimmter Tiere
würde freigelassen. Und später nahm er im Harem dann
an jener Zeremonie teil, in deren Verlauf ein Knoten in
den Faden seines Lebens geknüpft wurde, jenes Fadens,
der die Anzahl der Jahre seines Lebens festhielt. Außerdem hatte er heute eine Entscheidung hinsichtlich jenes
Fremdlings zu fallen, der von sich behauptete, ein «Mogul der Liebe» zu sein.
Dieses Individuum hatte für den Herrscher bereits eine
Viel-zahl von Gefühlen ausgelöst: Amüsement, Interesse,
Enttäu-schung, Ernüchterung, Überraschung, Erstaunen,
Faszination, Irritation, Vergnügen, Verwirrung, Misstrauen, Wohlwollen, Langeweile und immer öfter auch,
das musste er gestehen, Zuneigung und Bewunderung.
Eines Tages begriff er, dass Eltern ähnlich für ihre Kinder empfinden, auch wenn er im Fall seiner eigenen Söhne nur wenige Augenblicke der Zuneigung erleben durfte, aber immer wieder Misstrauen, Enttäuschung und
Ernüchterung hatte erfahren müssen. Fast schon seit seiner Geburt intrigierte der Kronprinz gegen ihn, und alle
drei Jungen waren aus der Art geschlagen, doch der
Mann, der die Geschichte von Qara Köz erzählte, benahm sich stets respektvoll, war zweifellos intelligent,
furchtlos und konnte ein gewaltiges Garn spinnen. Seit
einiger Zeit hegte Akbar einen nahezu skandalösen Gedanken hinsichtlich dieses so ausnahmslos liebenswürdigen Vespucci, der sich derart gut dem Leben am Hofe
angepasst hatte, dass man ihn allgemein schon so behandelte, als würde er von Rechts wegen dazugehören. Prinz
Salim hasste ihn, ebenso der religiöse Fanatiker Badauni,
dessen geheimes Buch giftiger Anschläge auf den Herrscher von Tag zu Tag dicker und dicker, der Autor dagegen dünner und dünner wurde, doch gereichten dem
Fremdling solche Animositäten eher zur Ehre. Des Herrschers Mutter sowie Königin Mariam-uz-Zamani, sein
erstes, tatsächlich real existierendes Weib, konnten den
Fremden gleichfalls nicht ausstehen, doch mangelte es
den bei den an Phantasie, weshalb sie sich jeglichem
Vordringen einer Traumwelt in die Wirklichkeit widersetzten.
Der beinahe skandalöse Gedanke hinsichtlich Vespucci
machte Akbar nun schon seit geraumer Zeit zu schaffen,
wes-halb er ihm nachgehen wollte und begann, den
Fremdling in diverse Staatsangelegenheiten einzubeziehen. Beinahe auf Anhieb meisterte der gelbhaarige «Mogul» die schwierigen Details des mansabdari-Systems,
mit dessen Hilfe das Reich regiert wurde und von dem
sein Fortbestand abhing, jene Pyramide der Würdenträger, die entsprechend ihrem Rang berittene Truppen befehligten und dafür Lehnsgüter erhielten, die ihren Reichtum ausmachten. Schon nach Tagen kannte er die Namen
aller mansabdars im Reich auswendig - dabei gab es allein dreiund-dreißig Offiziersränge, von königlichen
Prinzen, die zehntausend Mann, bis hinunter zu den einfachen Befehlshabern, die nur zehn Mann kommandierten -, außerdem erkundigte er sich nach den Leistungen
einzelner Würdenträger und war so in der Lage, dem
Herrscher sagen zu können, welcher mansabdar eine Beförderung verdiente und wer seine Aufgaben vernachlässigte. Der Fremdling war es auch, der Akbar jene grundlegende Änderung in der Struktur des Systems vorgeschlagen hatte, mit der die Stabilität des Reiches für weitere einhundertfünfzig Jahre gesichert werden sollte.
Ursprünglich waren die meisten mansabs Turani, also
Zentralasiaten mogulischer Herkunft, die entweder selbst
Perser waren oder deren Familien aus der Gegend von
Ferghana und Andijon stammten. Auf Mogors Rat begann Akbar, eine größere Anzahl Abkömmlinge anderer
Volksstämme aufzunehmen, der Rajputen, Afghanen und
indischen Muslime, sodass keine Gruppe mehr die
Übermacht besaß. Die Turani waren nach der Reform
zwar immer noch die größte Gruppe, besetzten aber nur
noch etwa ein Viertel aller Stellen. Folglich konnte keine
Gruppierung den übrigen Würdenträgern Vorschriften
machen, und alle waren gezwungen, miteinander auszukommen und zu kooperieren. Sulh-i-kul. Vollkommener
Friede. Alles nur eine Frage der Organisation.
Er war also ein Mann, der mehr konnte, als nur einige
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