Rushdie Salman
phlegmatische Gesten kennzeichneten. Heute wirkte er dagegen ein
wenig verstört, fast als hüpften die Neuigkeiten in ihm
hin und her und brächten ihn aus dem Gleichgewicht.
«Nun gut», verkündete er, «ein großer Augenblick für
Euch. Die Maria der Ewigkeit und die Maria des Hauses
- die Frau und die Mutter des Göttlichen Kalifen, des
Einzigartigen Juwels, des Khediven unserer Zeit statten
Euch höchstpersönlich einen Besuch ab.»
Die Maria der Ewigkeit war Mariam-uz-Zamani, die leibliche Mutter des Kronprinzen Salim, Rajkumari Hira
Kunwari, eine Kachhwaha-Rajputen-Prinzessin aus Ajmer. Die Maria des Hauses, Mariam Makani, war Hamida Bono, die Mutter des Herrschers. (Der Kalif, das Juwel und der Khedive waren natürlich alle der Herrscher
selbst., Wenn diese beiden großen Damen, die der nichtexistenten Königin bisher nie auch nur einen guten Tag
gewünscht hatten, sie in ihren Privatgemächern aufsuchten, stand Bedeutsames bevor. Jodha sammelte sich und
nahm eine unterwürfige Haltung ein, faltete die Hände
und senkte den Blick, um ihre Ankunft zu erwarten.
Minuten später rauschten sie herein, auf den Gesichtern
ein Ausdruck sowohl des Erstaunens wie der Verachtung.
Bibi Fatima, Echo und Hofdame der Königinmutter, war
bei dieser Gelegenheit abwesend, zum einen, weil sie
kürzlich gestorben war, zum anderen, weil sich die Damen gegen jede Begleitung durch irgendwelche Höflinge
entschieden hatten, von Umar dem Ayyar einmal abgesehen, dessen Verschwiegenheit außer Zweifel stand. Verwirrt schauten sie sich um und wandten sich dann hilfesuchend an den Ayyar. «Wo ist sie?», zischte Hamida
Bono. «Ist sie aus dem Zimmer gegangen?» Umar deutete mit einem leichten Kopfnicken in Jodhas Richtung.
Die Königinmutter sah sich verwirrt um, während die
jüngere Dame königlichen Geblüts nur verächtlich
schnaubte und sich dann der ungefähren Richtung zuwandte, in die der Spion gedeutet hatte.
«Ich bin hier zu meinem eigenen, nicht unbeträchtlichen
Er-staunen», sagte Königin Mariam-uz-Zamani und
sprach zu laut und zu langsam, als redete sie mit einem
begriffsstutzigem Kind, «um mich mit einer Frau zu unterhalten, die nicht existiert, deren Abbild kein Spiegel
wiedergibt und die für mich aussieht wie Luft über dem
Teppich. Ich bin mit der Mutter des Herrschers gekommen, Witwe der Kuppel der Absolution, ehedem geliebte
Gemahlin des Herrschers Humayun, des Wächters der
Welt, dessen Nest das Paradies ist, denn wir fürchten,
dass Schlimmeres als Ihr den Herrscher beherrscht, meinen edlen Gatten, ihren illustren Sohn. Nach unserer Auffassung hat ihn der Fremdling Vespucci verzaubert, der
uns als Sendbote des Ungläubigen, des Teufels geschickt
wurde, ein Mann mit schwarzem Herzen, der unsere Ruhe stört und uns demütigt, dessen Zauber die Männlichkeit unseres Herrschers in den Bann schlägt und so seinen gesunden Menschenverstand schwächt, was wiederum das gesamte Reich in Gefahr bringt und folglich daher auch uns. Es ist ein Zauber, von dem Ihr sicherlich
gehört habt - wie es scheint, weiß ganz Sikri bereits darüber Bescheid! Er nimmt die Form einer Erscheinung
von Qara Köz an, der sogenannten verschwiegenen Prinzessin. Wir wissen … » und da stockte die Maria der
Ewigkeit, denn was sie zu sagen hatte, verletzte ihren
Stolz -, «dass der Herrscher Euch aus den ihm eigenen
Gründen jeder anderen weiblichen Gesellschaft vorzieht», sie weigerte sich, Königin zu sagen, «und wir
hoffen, dass Ihr, sobald Ihr erfahrt, in welcher Gefahr er
schwebt, begreifen werdet, wo Eure Verantwortung liegt.
Kurz und gut, wir wünschen, dass Ihr all Eure Macht
über ihn nutzt, um ihn aus diesem verhexten Zustand zu
retten - vor seiner Lust für diesen Höllendämon in weiblicher Gestalt -, und wir wollen Euch dabei helfen, indem
wir Euch alles beibringen, womit eine Frau jemals Macht
über einen Mann gewann, etwas, das der Herrschet als
Mann nicht wissen kann und Euch daher auch nicht beibringen konnte, Euch, seinem ein wenig absurden und,
wie mir scheint, fast nicht wahrnehmbaren Geschöpf.
Wir wissen, Ihr habt viele Bücher gelesen, und ich bezweifle nicht, dass Ihr geflissentlich lerntet, was sie Euch
zu lehren wussten. Doch gibt es Dinge, die nie in Büchern niedergeschrieben wurden, da sie seit Anbeginn
aller Zeit nur auf mündliche Weise von Frau zu Frau weitergegeben werden, in flüsterndem Ton von Mutter zu
Tochter. Haltet Euch an das, was wir Euch lehren werden, so
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