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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Euch ein
Königreich», versprach der faqir, der den Islam zugunsten des Hinduismus aufgegeben hatte. Timur gab dem
Mönch, was er begehrte, woraufhin der faqir seinen Mantel über Timur warf und begann, ihn mit der flachen
Hand auf den Hintern zu hauen. Nach elf Schlägen warf
Timur wütend den Mantel ab. «Hättet Ihr länger ausgehalten», sagte der faqir, «hätte Eure Dynastie länger Bestand gehabt. So wird sie mit dem elften Nachfolger enden.» Akbar war der achte Nachfahre nach Timur dem
Lahmen; falls man der Legende also Glauben schenken
wollte, säßen die Moguln noch drei Generationen lang
sicher auf dem Thron von Hindustan. Nur gab es mit der
neunten Generation ein Problem. Die achtzehn, fünfzehn
und vierzehn Jahre alten Söhne waren allesamt Trunkenbolde, einer von ihnen litt an der Fallsucht, und der
Kronprinz, na ja, was wollte man schon über den Kronprinzen sagen: Er war ein entsetzliches Ärgernis, sonst
nichts.
    An seinem Geburtstag, in der Waagschale des Lebens
hockend, um zwölf Mal gegen Reismilch aufgewogen zu
werden, dachte der Herrscher über die Zukunft nach. Anschließend suchte er die Kunstwerkstätten auf, doch war
er in Gedanken nicht bei der Sache. Sogar im Harem, in
dem ihn seine Frauen umgaben, ihre Sanftheit ihn umhüllte, war er abgelenkt. Er spürte, dass er an einen Wendepunkt gelangt war und dass es dabei irgendwie um
diese Entscheidung hinsichtlich des Fremden ging. Ihn in
die Familie aufzunehmen wäre ein Zeichen dafür, dass er
tatsächlich Abul Fazls Idee eines Weltenkönigs verfolgte,
da er ins eigene Haus - in sich selbst - Personen, Orte,
Erzählungen und Möglichkeiten noch unbekannter Länder aufnahm, Länder, die ihrerseits unterworfen werden
konnten. Wenn ein Fremdling Mogul zu werden vermochte, dann würden dies über kurz oder lang alle Fremden werden können. Außerdem tat er damit einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Schaffung einer Kultur der
Einbeziehung, ebenjener Kultur, die von der Sekte der
Raushanai allein durch ihre Existenz verspottet worden
war: seine wahre, Gestalt gewordene Vision, der zufolge
alle Rassen, Stämme, Clans, Glaubensrichtungen und
Nationen Teil einer großen Mogul-Synthese werden
würden, der einen großen Vermengung der Erde, ihrer
Wissenschaften, ihrer Künste, ihrer Lieben, Differenzen,
Probleme, Eitelkeiten, ihrer Philosophien, ihrer Spiele
und Launen. All das brachte ihn zu dem Schluss, dass es
ein Akt der Stärke wäre, Mogor dell’ Amore mit dem
Titel eines farzand zu ehren.
Doch könnte es nicht wie Schwäche wirken? Wie Sentimenta-lität, Selbstbetrug, Leichtgläubigkeit? Auf einen
glattzüngigen Fremden hereinzufallen, von dem man
nichts weiter wusste als das, was er selbst in seiner unvollständigen, chronologisch problematischen Geschichte
von sich zum Besten gegeben hatte? Denn wollte man
ihn offiziell anerkennen, wäre das, als wollte man sagen,
die Wahrheit sei nicht länger bedeutsam und es käme
nicht mehr darauf an, ob seine Geschichte bloß eine geschickt konstruierte Lüge war oder nicht. Sollte ein Fürst
es nicht tunlichst vermeiden, seine Verachtung für die
Wahrheit derart deutlich zu zeigen? Sollte er sie nicht
verteidigen und erst unter dem Schutz dieses Vorwandes
lügen, wann immer es ihm passte? Sollte ein Fürst also
nicht gefühlloser sein? Kälter? Unempfänglicher für
Phantasien und Visionen? Vielleicht war Macht die einzige Vision, die er sich gestatten sollte. Nützte die Erhebung des Fremdlings der Macht des Herrschers? Nun,
vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Und jenseits dieser Fragen taten sich größere Probleme
auf, Fragen aus der Welt der Magie, in der jedermann
ebenso leidenschaftlich lebte wie in der Welt fassbarer
Stofflichkeit. Wenn Akbar die Menge jeden Morgen am
jahrokha-Fenster einen Blick auf sich erhaschen ließ,
nährte er diesen Glauben; unten drängten sich Verehrer,
Anhänger des aufkeimenden Kultes des Erhaschens, die
gleich im Anschluss Wundergeschichten verbreiteten.
Jeden Tag wurden die Kranken, die Sterbenden zu ihm
gebracht, und wenn Akbars Blick auf sie fiel, wenn er gar
in dem Moment einen Blick auf sie erhaschte, in dem sie
ihrerseits einen Blick auf ihn erhaschten, dann war sofortige Heilung das unweigerliche Ergebnis. Solches Erhaschen übertrug des Herrschers Macht auf den Erhaschten.
Magie strömte ausnahmslos von der mit größerer Magie
ausgestatteten Person (Herrscher, Nekromant, Hexe, zu
der mit weniger Magie

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