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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Probe gestellt und große Vorzüge entdeckt. Er war kein
Feind, er war sein Günstling. Er verdiente es, gelobt und
nicht getadelt zu werden.
Akbar zwang seine Gedanken wieder in angemessene
Bahnen.
Er war kein vollkommener Mensch, das war nur die Behauptung eines Schmeichlers, und Abul Fazls Schmeicheleien führten ihn in ebendas, was Mogor dell’Amore
die Sümpfe der Paradoxa genannt hatte. Einen Menschen
zu gottgleichem Status zu erheben und ihm absolute
Macht zu verleihen, zugleich aber zu behaupten, dass der
Mensch und nicht Gott sein Schicksal lenke, barg einen
Widerspruch, der keiner näheren Betrachtung standhielt.
Außerdem umgaben ihn auf allen Seiten Hinweise darauf, wie sehr sich die Religion in menschliche Angelegenheiten ein-mischte. Er hatte den Selbstmord der Engelsstimmen Tana und Riri nicht vergessen können, die
lieber gestorben waren, als ihren Glauben zu kompromittieren. Ihm lag nichts daran, göttlich zu sein. Hätte es nie
einen Gott gegeben, dachte der Herrscher, ließe sich
vermutlich leichter sagen, was es hieß, gut zu sein. Diese
Sache mit der Anbetung, der Selbstverleugnung im Angesicht des Allmächtigen, war eine Verirrung, eine falsche Fährte. Was auch immer es bedeuten mochte, gut zu
sein, so hatte es doch gewiss nichts mit ritualisiertem,
gedankenlosem Gehorsam gegenüber einer Gottheit zu
tun, mehr dagegen schon mit dem langsamen, umständlichen, von Irrtümern behafteten Aufspüren eines individuellen oder kollektiven Weges .
    Wieder verhedderte er sich sofort in Widersprüche. Ihm
lag nichts daran, göttlich zu sein, doch glaubte er an die
Gerechtigkeit der Macht, seiner absoluten Macht, und
angesichts dieses Glaubens musste jene seltsame Idee
von der Rechtschaffenheit des Ungehorsams, die ihm
irgendwie in den Sinn gekommen war, geradezu als aufrührerisch gelten. Dank seiner Eroberungen besaß er
Macht über das Leben der Menschen. Die unausweichliche Schlussfolgerung, zu der jeder realistisch gesinnte
Fürst gelangen musste, lautete, dass Macht gerecht war,
und bei allem Übrigen, dieser endlosen Meditation über
die Tugend zum Beispiel, konnte es sich nur um schmückendes Beiwerk handeln. Der Sieger war der Mann der
Tugend, mehr brauchte dazu nicht gesagt zu werden.
Natürlich gab es Differenzen, es kam zu Exe-kutionen,
zu Selbstmorden, doch ließ sich jeder Widerstand bezwingen, und es war seine Faust, die ihn bezwang. Was
aber hatte es dann mit jener Stimme auf sich, die ihm
Morgen für Morgen von Harmonie zuflüsterte, nicht von
der Alle-Menschen-sindeins-Quacksalberei der Mystiker,
sondern von dieser seltsamen Idee, dass Unstimmigkeit,
Ungehorsam, Differenz und Widerspruch, Respektlosigkeit, Bilderstürmerei und Anmaßung, gar Unverschämtheit der Quell alles Guten sein könnten? Solche Gedanken geziemten sich nicht für einen König.
Er dachte an die fernen Herzöge aus der Geschichte des
Fremdlings. Sie behaupteten ebenfalls nicht, göttlichen
Anspruch auf ihr Land zu haben, nur den Anspruch des
Siegers. Und auch ihre Philosophen sahen den Menschen
im Mittelpunkt seiner Zeit, seiner Stadt, seines Lebens,
seiner Kirche, nur führten sie die Menschlichkeit des
Menschen törichterweise auf Gott zurück und verlangten
in dieser Angelegenheit, der höheren Angelegenheit des
Menschen, göttliche Sanktion, obwohl sie in den niederen Angelegenheiten der Macht zugleich von der Notwendigkeit einer solchen Sanktion absahen. Wie verwirrt
sie doch waren und wie unbedeutend, herrschten gerade
mal über eine Stadt in der Toskana, vielleicht noch über
ein römisches Bistum, dabei nahmen sie sich so wichtig.
Er war der Herrscher über das grenzenlose Universum,
und für ihn lagen die Dinge natürlich klarer. Nein, korrigierte er sich, das taten sie nicht, und er gab sich bloßer
Bigotterie hin, wollte er anderes behaupten. Mogor hatte
recht. Es ist nicht der Fluch der menschlichen Rasse, dass
wir uns so sehr voneinander unterscheiden, sondern dass
wir uns so ähnlich sind.
Tageslicht ergoss sich über die Teppiche, und er stand
auf.
Es wurde Zeit, sich am jharokha-Fenster zu zeigen und
die Hul-digung der Menge entgegenzunehmen. Das Volk
war heute in Festtagslaune - auch dies hatte es mit der
Bevölkerung jener anderen Stadt gemein, durch deren
Straßen er in seinen Träumen wanderte, dieses Talent
zum Feiern ~, denn heute war der Sonnengeburtstag ihres
Herrschers, der fünfzehnte Oktober, und seine Majestät
würde sich wiegen lassen,

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