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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Route einzuschlagen, die sie gekommen war, noch konnte sie angesichts des Zorns der Florentiner in der Stadt
am Arno bleiben. Der mürrische alte Seebär Doria, den
das neue, männliche Aussehen von Qara Köz und ihrem
Spiegel schockierte, auch wenn er sich darüber jede Bemerkung verkniff, hieß sie auf galante Weise willkommen - denn noch war Qara Köz durchaus imstande, den
Galan im Manne zu wecken, sogar in Männern, die für
ihre Grobheit und Brutalität berüchtigt waren - und versicherte den beiden Damen, kein Mensch werde ihnen ein
Leid antun, solange sie unter seinem Schutz standen.
Doria war der Erste, der die Möglichkeit erwähnte, dass
Qara Köz und ihr Spiegel doch auf der anderen Seite des
Meeres ein neues Leben beginnen könnten.
«Wenn ich nicht so viele Berberpiraten zu töten hätte»,
sagte er, «ließe ich mich vielleicht überreden, die Reise
selbst zu unternehmen und in die Fußstapfen von Signor
Vespuccis gefeiertem Vetter zu treten.» Zu dieser Zeit
hatte er bereits eine ganze Menge Piraten getötet, und
seine persönliche Flotte, die meist aus den gekaperten
Kähnen der Piraten bestand, umfasste zwölf Schiffe, deren Mannschaften nur Doria allein Treue schworen, doch
hielt er sich nicht mehr für einen echten condottiere, da
es ihn nicht im Mindesten reizte, auch an Land zu kämpfen. «Argalia war der Letzte von uns», erklärte er. «Ich
bin nur ein verwässerter Rest.» In seiner Freizeit, wenn er
keinen Krieg führte, schlug er in Genua politische
Schlachten mit seinen Rivalen in den Familien Adorni
und Fregosi, die ständig aufs Neue versuchten, ihm den
Zugang zur Macht zu verwehren. «Aber mir gehören die
Schiffe», sagte er und setzte dann noch hinzu - unfähig,
sich zu bremsen, obwohl Damen anwesend waren (vielleicht auch nur, weil die Damen wie junge Herren gekleidet waren, - «dabei haben sie nicht mal einen
Schwanz in der Hose, nicht wahr, Ceva?» Ceva der
Skorpion, dieser tätowierte Ochse von einem Leutnant,
errötete sogar, ehe er verlegen antwortete: «Nein, Admiral, jedenfalls nicht, soweit ich sehen konnte.»
Doria führte die. Gäste in seine Bibliothek und zeigte
ihnen, was keiner von ihnen je zuvor gesehen hatte, nicht
einmal Ago, obwohl bei diesem Werk ein Blutsverwandter beteiligt gewesen war: die Cosmographiae Introductio
des Benediktinermönchs Waldseemüller aus dem Kloster
Saint Die-des-Vosges, eine riesige Karte, die ausgebreitet
beinahe den ganzen Boden bedeckte, eine Karte, deren
Name ebenso endlos schien, die Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes, also die vollständige Kosmographie nach der Über-lieferung des Ptolomäus und
des Amerigo Vespucci sowie auch nach anderen Abbildungen. Auf dieser Karte glichen Ptolomäus und Amerigo wahren Kolossen, wie Götter blickten sie herab auf
ihre Schöpfung, und auf einem großen Segment von
Mundus Novus stand der Name America. «Es ist nicht
einzusehen», schrieb Waldseemüller in seiner Introductio, «warum jemand es verbieten sollte, das neue Land
nach seinem Entdecker Amerigo zu benennen, einem
besonders scharfsinnigen Mann.»
Als Ago Vespucci dies las, begriff er tief bewegt, dass
ihn das Schicksal in Gestalt seines Vetters schon immer
auf diese Neue Welt zugeführt hatte, obwohl er doch
stets ein Sesselhocker gewesen war, der den verrückten
Amerigo für eine ziemliche Plaudertasche gehalten hatte,
weshalb dessen Berichte über die eigenen Taten auch nur
mit einer Prise Misstrauen zu genießen waren. Allerdings
hatte er Amerigo nicht besonders gut gekannt und nie
versucht, ihn besser kennenzulernen, da sie nur wenig
miteinander verband. Nun aber war dieser seefahrende
Vespucci ein scharfsinniges Genie geworden, dessen
Name zum Namen einer Neuen Welt geworden war, und
das allein verdiente Respekt.
Langsam, schüchtern, verzagt und viele Male wiederholend, dass er von Natur aus kein Reisender sei, begann
Ago, mit Admiral Doria über die Entdeckungsfahrten
seines Vetters zu reden. Es fielen die Namen Venezuela
und Vera Cruz. Inzwischen studierte Qara Köz die Karte
der Welt. Beim Klang der neuen Ortsnamen war ihr, als
hörte sie beschwörende Worte, eine Zauberformel, die ihr
die Wünsche ihres Herzens erfüllte. Und sie wollte mehr
davon hören, immer mehr. Valparaiso, Nombre de Dios,
Cacafuego, Rio Eseondido, sagte Ago. Er lag auf Händen
und Knien und las. Tenoehtitldn, Quetzaleoatl, Teuatlipoea,

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