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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Montezuma, Yueatdn, fügte Andrea Doria hinzu,
ebenso Espanola, Puerto Rieo, Jamaika, Kuba, Panama.
«Worte, die ich noch nie gehört habe», sagte Qara Köz,
«beschreiben mir meinen Weg nach Hause.»
    Argalia war tot - «Wenigstens starb er in seiner Heimatstadt und verteidigte, was er liebte», sprach Doria und
hob prostend sein Glas Wein zu diesem barsch vorgebrachten Nachruf Ago war ein kümmerlicher Ersatz für
einen solchen Mann, doch wusste Qara Köz, er war alles,
was ihr geblieben war. Mit Ago würde sie ihre letzte Reise antreten, mit Ago und Spiegel. Sie waren ihre letzten
Wächter. Von Doria erfuhren sie, was die meisten gen
Westen segelnden Seefahrer glaubten - auch die Herrscher Spaniens und Portugals -, dass man nämlich bald
eine Passage nach Indien finden würde, eine Öffnung
durch die Landmasse von Mundus Novus ins Gangesmeer, breit genug für Schiffe. Viele Männer suchten eifrig nach dieser Mittelpassage. In den Kolonien Espaiiola
und Kuba ließ es sich längst sicher leben, und Panama,
das neue Land, würde bestimmt noch sicherer sein. In
diesen Gegenden hatte man die meisten Indianer unter
Kontrolle, eine Million auf Espaiiola, über zwei Millionen auf Kuba, viele darunter bekehrte Christen, obwohl
sie keine christliche Sprache beherrschten. Die Küsten
jedenfalls waren sicher, und auch das Landesinnere wurde erschlossen. Wer das nötige Geld besaß, konnte sogar
eine Kabine auf einer von Cadiz oder Palos de Moguer
ausfahrenden Karavelle buchen.
«Dann werde ich fahren», verkündete die Prinzessin
ernst, «und warten. Denn die Öffnung zur Neuen Welt,
nach der so viele hervorragende Männer so eifrig fahnden, wird eines Tages gewiss gefunden werden.» Sie
stand aufrecht da, die Arme an den Ellbogen abgewinkelt
und das Gesicht von überirdischem Glanz erhellt, weshalb Andrea Doria bei ihrem Anblick an Christus denken
musste, an den Wunder vollbringenden Nazarener, an
Jesus, der Brot und Fische vermehrte oder Lebende von
den Toten auferstehen ließ. Qara Köz’ Gesicht zeigte die
gleiche angestrengte Miene, die es während der Verzauberung von Florenz getragen hatte, doch wurde sie nun
durch Kummer und Verlust noch zusätzlich verdüstert.
Ihre Macht ließ nach, aber ein letztes Mal sollte sie noch
ausgeübt werden, wie sie nie zuvor ausgeübt worden war,
um der Geschichte der Welt jenen Verlauf aufzuzwingen,
den Qara Köz sich wünschte. Allein durch die schiere
Macht ihrer Zauberkunst und ihres Willens würde sie die
Mittelpassage ins Dasein rufen. Andrea Doria schaute auf
die junge Frau in olivgrüner Jacke und Hose, auf das kurz
gestutzte schwarze Haar, das ihr wie ein dunkler Heiligenschein vom Kopf abstand, und er war überwältigt. Er
fiel vor ihr auf die Knie, beugte sich, berührte mit der
Hand das Sämischleder ihrer Stiefel und verharrte mit
gesenktem Haupt wohl länger als eine Minute. In den
folgenden Jahren sollte Doria, der ein hohes Alter erreichte, jeden einzelnen Tag an diesen Vorfall denken
und sich doch nie sicher sein, ob er gekniet hatte, um
einen Segen zu empfangen oder um ihn zu geben, ob er
gemeint hatte, sie anbeten oder sie beschützen zu müssen, ob er sie in ihrer letzten Glorie bewundern oder sie
vom sicheren Untergang bewahren wollte. Er dachte an
Christus in Gethsemane und daran, wie der Herr auf seine Jünger herabgeschaut haben mochte, als er sich auf
den Tod vorbereitete.
«Mein Schiff wird Euch nach Spanien bringen», sagte er.
    An der Pier ihres neuen Herrn Andrea Doria setzte das
legen-däre Korsarenschiff Cadolin an einem weißnebligen Morgen in Fassolo die Segel und hisste die Flagge
Genuas, das Kreuz des heiligen Georg; an Bord drei Passagiere und am Ruder Ceva der Skorpion. Als er Lebewohl sagte, gelang es Andrea Doria, jene Gefühle im
Zaum zu halten, die ihn kurz zuvor noch auf die Knie
gezwungen hatten. «Die Bibliothek eines Mannes der Tat
wird nur selten genutzt», sagte er Qara Köz, «aber Ihr
habt meinen Büchern neue Bedeutung verliehen.» Nachdem er die Cosmographiae Introductio gelesen und
Waldseemüllers große Karte studiert hatte, war ihm, als
dringe die Prinzessin leibhaftig in das Buch ein, als verlasse sie diese Welt von Erde, Luft und Wasser, um ein
Universum aus Papier und Tinte zu betreten, als segelte
sie über das Ozeanische Meer und käme nicht in Espafiola in Mundus Novus an, sondern auf den Seiten einer
Geschichte. Er nahm nicht an, dass er sie in dieser oder
der Neuen Welt je

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