Rushdie Salman
und empfing am heutigen Abend im piano
nobile. «Das einfache Volk», sagte Giulietta Veronese,
«kann sich im Kasino im Erdgeschoss vergnügen.» In
den vier Jahren der Jammererherrschaft war die Zwergin
Giulietta gezwungen gewesen, sich ein Auskommen als
Barbierin zu suchen, als Wahrsagerin und Panseherin von
Liebestränken. Gerüchte behaupteten, sie hätte Gräber
ausgeraubt und die Nabelschnur toter Säuglinge gestohlen, hätte die Jungfernhäute von verstorbenen Jungfern
abgetrennt und für ihre ruchlosen Zauberflüche die Augen der Toten ausgestochen, weshalb Ago ihr gerade
sagen wollte, dass es ihr verdammt noch mal ja wohl
kaum anstünde, vom gemeinen Volk zu reden, als Il Machia ihn gerade noch rechtzeitig so hart zwickte, dass er
vergaß, was er sagen wollte, und sich lieber ausmalte,
wie es wäre, Niccolo Machiavelli umzubringen. Das vergaß er allerdings auch bald wieder, denn die Veroneser
Vettel erteilte weitere Anweisungen. «Bringt ihr Gedichte», sagte sie. «Sie mag Gedichte, keine Blumen. Blumen
hat sie genug. Bringt ihr das Neueste von Sannazaro, von
Cecco d’ Ascoli oder lernt ein Madrigal von Parabosco
und bietet ihr an, es für sie zu singen. Sie kann ziemlich
schwierig sein. Singt Ihr schlecht, schlägt sie Euch ins
Gesicht. Langweilt sie nicht, sonst wirft Euch einer ihrer
Galane wie ein langweiliges Spielzeug einfach aus dem
Fenster. Werdet ihr nicht lästig, anderenfalls wird ihr
Beschützer Euch, noch ehe Ihr morgen nach Hause gelangt, in einer Seitengasse mitten ins Herz stechen. Ihr
werdet nur aus einem einzigen Grund eingeladen, also
wagt Euch nicht auf Terrain vor, auf dem Ihr nichts verloren habt.»
«Dann sind wir also eingeladen?», fragte Il Machia.
«Das wird sie Euch selbst sagen», erklärte die Veroneser
Vettel gehässig, «falls ihr danach ist.»
Akbar der Große wusste über den rasanten Aufstieg der
Skelett und Matratze genannten Prostituierten Bescheid,
die sich von einfachen Huren am Hatyapul-Tor zu ausgewachsenen Kurtisanen mit eigener Villa am Seeufer
gemausert hatten. «Ihr Erfolg wird allgemein als ein Zeichen für den Aufstieg des Fremden gewertet, dieses Vespucci, des Lieblings dieser Damen, der es vorzieht, sich
Mogor de l’Amore zu nennen», sagte ihm Abul FazJ.
«Was die Herkunft des für derlei Unterfangen nötigen
Kapitals angeht, so kann man nur spekulieren.» Umar der
Ay’yar bestätigte seinerseits die Beliebtheit des sogenannten Hauses Skandal dessen Namen sich vom Hindugott des Krieges ableitet, «denn», so erzählte man sich in
den Herrenhäusern im Unteren Sikri, «lässt man sich auf
diese Damen ein, hat das mehr Ähnlichkeit mit dem
Krieg als mit der Liebe». Umar berichtete, Tansen, das
Musikgenie des Hofes, habe sich herabgelassen, einen
raag zu Ehren der Kurtisanen zu komponieren, den raag
deepak, so benannt, weil bei der ersten Aufführung durch
den Zauber seiner Melodie plötzlich sämtliche Lampen
im Haus Skanda entflammten.
In seinen Träumen suchte der Herrscher selbst dieses
Bordell auj, das im Nachtland an den Ufern eines unbekannten Flusses und nicht am Gestade seines eigenen
Sees stand. Dass sich Mogor deWAmore seinerseits in
den Fängen eines Wachtraums befand, ließ sich kaum
übersehen, war er es doch gewesen, der die Huren in seiner Geschichte rund um die Welt an den Arno versetzt
hatte. Wenn es um Huren geht, lügen alle Männer, dachte
Akbar und verzieh ihm. Er hatte ernstere Probleme zu
bedenken.
Suchte man im Traum nach Liebe, war dies ein sicheres
Zeichen dafür; dass man die Liebe verloren hatte, überlegte der Herrscher beim Aufwachen besorgt. Am nächsten Abend ging er zu Jodha und nahm sie mit einer
Wildheit, die ihren Paarungen seit seiner Rückkehr von
den Kriegen gefehlt hatte. Als er ging, um weiter der
Geschichte des Fremden zu lauschen, fragte sich Jodha,
ob diese ungezügelte Leidenschaft ein Zeichen seiner
Rückkehr oder eine Geste des Abschieds gewesen war.
«Will eine Frau einen Mann zufriedenstellen», sagte der
Herrscher, «muss sie singen können. Sie sollte wissen,
wie man ein musikalisches Instrument spielt, wie man
tanzt und wie man, falls erwünscht, alles drei gleichzeitig
macht: singen, tanzen, auf einer Flöte spielen oder eine
Saite anschlagen. Sie sollte gut schreiben, gut zeichnen,
ein Tätowierung geschickt anbringen können und selbige
umgekehrt auch an genau der Stelle bei sich machen lassen, wo es ihrem Mann gefallen könnte. Außerdem
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