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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Ansammlung von Speckrollen gleicht,
die in ein allzu enges Korsett gezwängt wurden, der keine Gedichte auswendig kennt, nur ein paar schmutzige
Reime, und einen für seine Obszönität stadtbekannten
Zungenschlag hat - das ist natürlich genau der Kerl, für
den Königin Alessandra die Beine breit machen wird.»
Ago schüttelte bekümmert den Kopf. «Ich sag dir, wie
größenwahnsinnig ich wirklich bin», bekannte er. «Ich
will nicht nur ihren Körper, ich will ihr verfluchtes
Herz.»
Im Salon der Alessandra Fiorentina, unter einer hohen
Kuppeldecke mit Fresken fliegender Putten, die sich vor
blauem Himmel um eine Wolkenmatratze sammelten, auf
der Ares und Aphrodite der Liebe frönten, fühlte sich
Ago Vespucci, während er der himmlischen Musik eines
cornetto curvo lauschte, als hätte ihn im Dunkel der
Nacht ein Lichtstrahl getroffen und aufs Neue in jene
versteinerte Unschuld verwandelt, die er vor vielen Jahren gewesen war, als er auf der Bettkante der dürren Dirne gesessen und ihr Verse bekannter Dichter vorgelesen
hatte, um zu erröten und zu niesen, sobald sie beschloss,
zur Sache zu kommen. La Fiorentina war nirgendwo zu
sehen. In ihrer Abwesenheit stand er mit der Mütze in der
Hand an einem kleinen Springbrunnen, unfähig, an der
allgemeinen Orgie teilzunehmen. Il Machia ließ ihn eine
Weile allein und lief mit ein paar nackten Nymphen in
einen trompe-freil-Wald, während Ago der eigene Leib
schwer zu schaffen machte. Er war auf diesem Fest ein
Phantom, der einzig lebendige Mensch in einem Haus
orgiastischer Geister. Er fand sich übergewichtig und war
traurig und einsam.
In dieser Nacht schlief niemand in der wiedergeborenen
Stadt.
Musik erfüllte die Luft, und die Straßen, die übel beleumundeten Häuser, aber auch jene mit gutem Ruf, die
Märkte, die Klöster, alle barsten schier vor Liebe. Die
Statuen der Götter wurden aus ihren blumengeschmückten Alkoven geholt, schlossen sich dem Reigen an und
pressten ihre kalte marmorne Nacktheit an warme Haut.
Selbst die Tiere stimmten ein und fielen mit Begeisterung
übereinander her. Ratten rammelten im Schatten der Brücken, und Fledermäuse in Kirchtürmen taten, was Fledermäuse gerne tun. Ein Mann rannte nackt durch die
Straßen und läutete ein helles Glöckchen. «Reibt euch die
Augen und knöpft die Hosen auf», rief er, «die Zeiten der
Tränen sind vorbei.» Ago Vespucci im Hause Mars hörte
in der Feme dieses Glöckchen klingen und wurde von
unerklärlicher Angst gepackt. Einen Augenblick später
ging ihm auf, dass es die Furcht vor dem verströmenden
Leben war, davor, dass ihm das Leben durch die Finger
glitt, während er allein und wie gelähmt am Springbrunnen stand. Ihm war, als verstrichen zwanzig Jahre in einem einzigen Moment, als entführte ihn die Musik, trüge
ihn hilflos in eine Zukunft der Paralyse und des Versagens, in der die Zeit selbst erstarrte, erdrückt unter der
Last seines Kummers.
Dann, endlich, winkte ihn die Kupplerin Giulietta Veronese zu sich. «Ihr seid ein Glückspilz», sagte sie. «Obwohl es für La Fiorentina eine großartige Nacht war, eine
phantastische Nacht, möchte sie Euch und Euren sexbesessenen Freund jetzt sehen.» Mit lautem Schrei platzte
Vespucci in die mit Wäldern bemalte Schlafkammer, riss
Il Machia von den Nymphen fort, warf ihm seine Kleider
zu und zerrte ihn, der sich noch anzog, zu jenem verzauberten Gemach, in dem Alessandra die Schöne auf sie
wartete.
Im Allerheiligsten der großen Kurtisane lagen die Mächtigen von Florenz halb nackt in gestillter Lust auf samtenen Sofas, die Gliedmaßen wahllos über die erschöpften
Leiber nackter Hetären gestreckt, Alessandras Tanztruppe, die so lange nackt die Beine für die städtischen Würdenträger geschwungen hatte, bis diese ihre Würde vergessen und sich in heulende Wölfe verwandelt hatten. La
Fiorentinas Bett aber war leer, das Laken unberührt, und
Agos Herz machte vor dümmlicher Freude einen kleinen
Satz. Sie hat keinen Liebsten, sie wartet auf mich. Doch
die göttliche Alessandra dachte nicht an Sex. Sie lag lang
ausgestreckt auf dem ungenutzten Bett, mit nichts als
ihrem goldenen Haar bekleidet, aß Trauben aus einer
Schüssel und gab nur mit winzigster Geste zu verstehen,
dass sie die Ankunft der beiden im Boudoir wahrgenommen hatte. Sie blieben neben der ruffiana, ihrem
Wachhund, stehen und warteten. Nach einigen Augenblicken begann La Fiorentina zu reden, so leise, als erzählte
sie sich

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