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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Feuers wiederauferstanden wie
der sagenhafte Vogel Phönix. Der Oberjammerer, der
Mönch Girolamo, der allen Florentinern das Leben zur
Hölle gemacht hatte, brutzelte mitten auf der Piazza della
Signoria an ebenjener Stelle, an der seine jammervolle
Truppe Jahre zuvor Schönes in Asche verwandeln wollte
und zu diesem Zweck Gemälde, weiblichen Zierrat und
sogar Spiegel herbeigeschleppt und in der irrigen Annahme verbrannt hatte, die Liebe der Menschen zum
Wohlgeformten und die Eitelkeit selbst könnten durch
heuchlerische Flammen vernichtet werden. «Versenge,
du blutiger Scheißschwanz», schrie Ago, während er den
brennenden Mönch umtanzte, was so gar nicht zu seiner
überaus nüchternen Beschäftigung als Stadtschreiber
passen wollte. «Dein Feuer damals hat uns die Idee für
dieses Freudenfeuer gegeben!» Selbst der moschusartige
Gestank von Savonarolas brennendem Fleisch konnte
ihm nicht die gute Laune verderben. Er war achtundzwanzig Jahre alt, und die Bordelle hatten wieder geöffnet.
    Mercatrice, meretrice. Altem Brauch zufolge war eine
Stadt wohlhabender Kaufleute immer auch eine Stadt
wohlgestalter Huren. Da die Tage der Jammerer nun
endgültig vorüber schienen, behauptete sich aufs Neue
die wahre Natur dieser Stadt und ihrer lüsternen Anhänger aller Sinnesfreuden. Die Welt der Bordelle kehrte
zurück. Vom großen Freudenhaus Macciana inmitten der
Stadt nahe dem Mercato Vecchio und dem Battistero
wurden die Fensterläden entfernt, man bot Rabatt für
Kurzentschlossene an, um wieder das erste Haus am
Platz zu werden; auf der Piazza del Frascato ließen sich
im Herzen des Bordells erneut die Tanzbären und Zwergjongleure blicken, die Affen in Uniformen, denen man
beigebracht hatte, «für ihr Land zu sterben», aber auch
die Papageien, die sich an die Namen aller Bordellkunden erinnerten und sie laut krächzten, sobald die Männer
sich zeigten. Natürlich kehrten die Frauen zurück, die
wilden slawischen Metzen, die melancholischen Dirnen
Polens, die lauten Buhlinnen Roms, die dicken deutschen
Mätressen, die Schweizer Söldnerinnen, die im Bett so
unbändig waren wie ihre männlichen Widerparte auf dem
Schlachtfeld, und die Mädchen von Florenz, die Besten
von allen. Ago hielt nichts von Reisen, auch nicht, wenn
es ums Bett ging. Er traf seine Lieblingsmädchen wieder,
beste toskanische Ware, alle beide. Außer für die Hure
Skandal und ihre Kollegin La Materassina entwickelte
Ago eine Vorliebe für eine gewisse Beatrice Pisana, die
nach der Königin der Amazonen den Namen Penthesilea
annahm, da sie nur mit einer Brust geboren worden war,
der - wie zum Ausgleich - schönsten Brust der Stadt, was
zumindest für Ago gleichbedeutend mit der schönsten
Brust der ganzen bekannten Welt war.
Als das Tageslicht schwand, das Feuer auf der Piazza
sein Werk verrichtet hatte und erlosch, scholl Musik aus
dem Macciana herüber, und auch vom rivalisierenden
Vergnügungsviertel, dem Chiasso de’ Buoi, um die Stadt
mit ihren Klängen zu segnen wie ein Engel, der die Wiedergeburt der Freude verkündet. Ago und Il Machia beschlossen, die Nacht durchzufeiern, eine herrliche Nacht,
die zugleich die letzte Nacht ihrer sorgenfreien Jugend
sein sollte, denn noch während Savonarola brannte, hatte
der neue Stadtrat der Achtzig Niccolo in den Palazzo
berufen und zum Sekretär der Zweiten Kanzlei ernannt,
die sich um die Auslandsbeziehungen der Republik Florenz kümmerte.
    Niccolo sagte Ago gleich, dass er auch eine Stelle für ihn
habe. «Warum ich?», hatte Ago gefragt. «Ich hasse diese
verfickten Ausländer.»
    «Erstens, furbo», erwiderte Il Machia, «überlässt du mir
das Ficken mit den Fremden, dafür überlass ich dir den
langweiligen Papierkram. Und zweitens hast du es selbst
vorhergesagt, also meckere nicht rum, wenn sich dein
Traum erfüllt.»
    «Scheiße, bugiarone, du bist wirklich ein Arschloch»,
sagte Ago bekümmert und machte seinem Freund mit der
Linken ein rüdes Zeichen, indem er den Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger schob. «Trinken wir
einen auf meine prophetischen Gaben.»
    Ein furbo war mit allen Wassern gewaschen; ein bugiarone genannt zu werden, war dagegen weniger nett und
in Niccolos Fall sogar unzutreffend, denn Ago wie Il
Machia waren auch weiterhin keine Sodomiten, jedenfalls nicht oft, doch in dieser Nacht, in der die Jammerer
um ihr Leben rannten oder, falls sie nicht schnell genug
waren, in Gassen und Pferdeställen

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