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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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besten verließ er
gleich das Haus. Er würde zu Ago, Biagio und di Romolo
gehen und erst einmal frühstücken. Bestimmt gab es auch
allerhand Arbeit zu erledigen. «Ihr blöder Ochse», schrie
Giulietta Veronese, «mischt Euch in Dinge ein, von denen Ihr nichts versteht.» Irgendetwas war geschehen. Er
war jetzt anständig angezogen und eilte mit aller Würde,
die er aufbringen konnte, durch das entzauberte Haus
Mars. Kurtisanen verstummten, wenn er an ihnen vorüberkam. Manche zeigten mit dem Finger auf ihn; ein,
zwei Frauen fauchten wütend. Im großen Salon war auf
der Seite, die zum Arno ging, eines der Fenster zerschlagen. Er musste in Erfahrung bringen, was vorgefallen
war. Doch plötzlich stand die Herrin des Hauses vor ihm,
La Fiorentina, auch ohne jede kosmetische Hilfe immer
noch schön. «Herr Sekretär», sagte sie mit eisiger Höflichkeit. «Ihr werdet in diesem Haus nie wieder willkommen sein.» Dann verschwand sie mit wehenden Unterröcken, und das Geschrei, das Wehklagen begann aufs
Neue. «Gott verfluche Euch», sagte Giulietta, die kupplerische rufftana. «Sie war einfach nicht aufzuhalten. Sie
rannte aus dem Zimmer, in dem Ihr wie ein verwesender
Leichnam geschlafen habt, und keiner konnte sich ihr in
den Weg stellen.»
Solange du betäubt warst und von der Tragödie deines
Lebens nichts ahntest, konntest du leben, doch als die
Einsicht zurückkehrte, als sie gewissenhaft wiederhergestellt wurde, trieb sie dich in den Wahnsinn. Die wiedererwachte Erinnerung machte dich irre, die Erinnerung an
Demütigungen, an so viele Aufdringlichkeiten, so viele
Eindringlichkeiten, die Erinnerung an Männer. Kein Gedächtnispalast, sondern ein Bordell der Erinnerungen,
und jenseits dieser Erinnerungen das Wissen darum, dass
jene, die dich liebten, tot waren, dass es kein Entrinnen
gab. Solches Wissen ließ dich aufspringen und davonrennen. Ranntest du nur schnell genug, gelang es vielleicht, der Vergangenheit zu entkommen, auch der Erinnerung an all das, was dir angetan worden war, selbst der
Erinnerung an die Zukunft, an die drohende, unausweichliche Trostlosigkeit. Gab es Brüder, die dich retten konnten? Nein, deine Brüder waren tot. Vielleicht war die
Welt selbst auch tot. Ja, richtig. Wollte man zur toten
Welt gehören, musste man sterben. Man musste so
schnell rennen, wie man konnte, bis man zur Grenze zwischen den Welten kam, nur hörte man dann nicht auf,
man rannte über die Grenze, als gäbe es sie nicht, als
wäre Glas bloß Luft und die Luft Glas, als zerstöbe die
Luft wie Glas, wenn man fiel. Die Luft zerschlitzte einen,
als bestünde sie aus lauter Messerklingen. Es tat gut zu
fallen. Es tat gut, aus dem Leben zu fallen. Es war gut.
«Argalia, mein Freund», sagte Niccolo zum Phantombild
des Verräters. «Du schuldest mir ein Leben.»
14. Nachdem Tansen das Lied des Feuers gesungen hatte…
    Nachdem Tansen das Lied des Feuers gesungen hatte,
jenen 1. V deepak raag, der in dem vom Skelett und der
Matratze geführten Haus Skanda allein durch die Macht
der Musik sämtliche Lampen anzündete, litt der Meister
an ernsthaften Verbrennungen. In der Ekstase seines Vortrags hatte er gar nicht bemerkt, wie er sich selbst versengte, als er sich im wilden Auflodern seines Genies
erhitzte. In einer königlichen Sänfte schickte Akbar ihn
heim nach Gwalior und bat ihn, sich auszuruhen und erst
zurückzukehren, wenn seine Wunden verheilt wären. In
Gwalior suchten ihn zwei Schwestern auf, Tana und Riri,
die seine Verletzungen derart betrübten, dass sie megh
malhar sangen, das Lied des Regens. Und obwohl Mian
Tansen geschützt im Schatten lag, netzte ihn bald ein
sanftes Nieseln. Es war kein gewöhnlicher Regen. Kaum
begannen Riri und Tana zu singen, nahmen sie ihm die
Verbände ab, damit die Tropfen die Wunden wuschen
und seine Haut heilten. Ganz Gwalior war verblüfft von
diesem Wunder des Regenliedes, und als Tansen nach
Sikri zurückkehrte, erzählte er dem Herrscher von den
herrlichen Mädchen. Gleich sandte Akbar Birbal aus, um
die Schwestern an den Hof einzuladen, und er ließ ihnen
zum Dank Schmuck und Gewänder überbringen. Doch
als Tana und Riri sich mit Birbal trafen und hörten, was
er ihnen zu sagen hatte, wurden ihre Mienen ernst; sie
zogen sich zum Gespräch zurück und weigerten sich, die
Geschenke des Herrschers anzunehmen. Erst einige Zeit
später ließen sie sich wieder blicken und sagten Birbal,
am nächsten Morgen würden sie ihm ihre

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