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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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nach Rhodos, doch
erkrankte er unterwegs und starb. Ich heiße Angelique,
und ich gehöre zur Familie von ]acques Creur. Während
meine Brüder und ich in Geschäften mit der Levante unterwegs waren, wurde ich von Piraten entführt und als
Sklavin an den Sultan von Stambul verkauft. Ich heiße
Angelique, und ich bin die Tochter von ]acques Creur.
Ich heiße Angelique, und ich bin die Tochter von ]acques. Ich heiße Angelique, und ich bin die Tochter. Ich
heiße Angelique, und ich bin. Ich heiße Angelique.
In jener Nacht schlief er an ihrer Seite. Wenn sie erwachte, wollte er ihr erzählen, was geschehen war, wollte
sanft und freundlich sein, und sie würde ihm danken,
würde ganz die Dame sein, die sie einst gewesen war,
eine Frau aus wohlhabendem Kaufmannshaus. Ihn bedrückte, welch Unglück sie erlitten hatte. Zweimal war
sie von den Berberpiraten gefangen genommen worden,
erst von den Franzosen, dann von den Türken; wer weiß,
welche Misshandlungen sie erdulden musste, wie viele
Männer sie besessen hatten und woran sie sich erinnerte.
Aber noch war sie nicht frei. Edel wie eine Aristokratin
sah sie aus, aber sie war bloß eine Gespielin im Haus der
Freuden. Falls ihre Brüder noch lebten, würden sie sich
gewiss freuen, wenn sie zurückkehrte, ihre verschollene
Schwester, ihre verlorene, geliebte Angelique. Sie würden sie Alessandra Fiorentina abkaufen, sodass sie nach
Hause zurückkonnte, wo immer ihr Zuhause auch sein
mochte, in Narbonne, in Montpellier oder in Bourges.
Vielleicht durfte er sie vögeln, ehe es dazu kam. Er wollte das am Morgen mit der ruffiana besprechen. Schließlich war ihm das Haus Mars noch etwas schuldig, da er
den Wert beschädigter Ware vervielfachen konnte. Herrliche Angelique, schmerzensreiche Angelique. Er hatte
etwas Wunderbares und beinahe Selbstloses vollbracht.
    In jener Nacht kam ihm ein seltsamer Traum. Ein orientalischer padishah saß bei Sonnenuntergang unter einer
kleinen Kuppel hoch oben in einem fünfstöckigen, pyramidenförmigen Gebäude aus rotem Sandstein und blickte
hinab auf einen goldenen See. Leibdiener schwangen
hinter ihm mächtige Federfächer, und neben ihm stand
ein europäisch aussehender Mann, vielleicht auch eine
Frau, jedenfalls eine Gestalt mit langem gelbem Haar in
einem Mantel aus bunten Lederflicken, und dieser Jemand erzählte eine Geschichte über eine verschwiegene
Prinzessin. Der Träumer sah die gelbhaarige Gestalt nur
von hinten, doch war der padishah klar zu erkennen, ein
großer, hellhäutiger Mann mit gewaltigem Schnurrbart,
attraktiv, schmuckbehängt, allerdings ein wenig zu fettleibig. Es waren fraglos Traumgestalten, die er da heraufbeschworen hatte, denn der Fürst konnte keinesfalls
der türkische Sultan sein, und der gelbhaarige Höfling
hörte sich ganz und gar nicht wie ein erst kürzlich ernannter italienische Pascha an.
«Ihr redet nur von der Liebe zweier Liebender», sagte der
padishah, «wir aber denken an die Liebe eines ganzen
Volkes für seinen Herrn, denn wir haben ein großes Verlangen danach, geliebt zu werden.»
«Die Liebe ist launisch», erwiderte der andere Mann.
«Heute liebt man Euch, morgen vielleicht schon nicht
mehr.»
«Was dann?», fragte der padishah. «Sollen wir zum grausamen Tyrannen werden? Sollen wir so regieren, dass
man uns zu hassen beginnt?»
«Nicht zu hassen, aber zu fürchten», antwortete der
Gelbhaarige. «Denn allein die Furcht ist von Dauer.»
«Seid kein Narr», entgegnete ihm der padishah. «Jedermann weiß, dass Furcht sich sehr wohl mit Liebe verträgt.»
Geschrei, Licht und offene Fenster weckten ihn, und
überall hasteten Frauen umher, während die Zwergin
Giulietta ihm ins Ohr schrie: «Was habt Ihr mit ihr gemacht?» Kurtisanen ohne den üblichen Schick, Haare
zerzaust, Gesichter ungeschminkt und ungewaschen, die
Nachtgewänder verrutscht, rannten kreischend von Zimmer zu Zimmer. Die Türen waren weit aufgerissen, und
Tageslicht, das Gegengift jeden Zaubers, strömte mit
brutaler Helligkeit durch das Haus Mars. Was für Drachen diese Weiber doch waren, welch elende, unflätige
Nager mit Mundgeruch und hässlichen Stimmen! Er setzte sich auf und langte nach seinen Kleidern. «Was habt
Ihr getan?» Nichts hatte er getan. Er hatte ihr geholfen,
ihr den Kopf frei gemacht, ihren Geist erlöst und sie
kaum angerührt. Der ruffiana schuldete er jedenfalls bestimmt kein Geld. Warum setzte sie ihm bloß so zu?
Weshalb die ganze Aufregung? Am

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