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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Prinzessin Gulbadan hingegen
erträumte sich eine gänzlich andere Qara Köz, eine freigeistige Abenteurerin, deren ungenierte, gar gotteslästerliche Fröhlichkeit ein wenig schockierend, doch stets
höchst unterhaltsam war, und die Geschichte ihrer Liaison mit dem attraktivsten Mann der Welt war so köstlich,
dass Prinzessin Gulbadan sie beneidet hätte, wäre sie
dazu in der Lage gewesen, genoss sie es doch viel zu
sehr, mehrere Nächte die Woche diese Liebe gleichsam
stellvertretend zu erleben. Für das Skelett dagegen, die
Herrin von Haus Skanda am See, wurde Qara Köz zur
Verkörperung weiblicher Sexualität schlechthin, zu einer
Frau, die allnächtlich schier unglaubliche gymnastische
Verrenkungen zum voyeuristischen Vergnügen der Kurtisane vollbrachte. Allerdings bescherte die verschwiegene Prinzessin nicht nur angenehme Träume. Dame Man
Bai, die Geliebte des Thronfolgers, fand, das absurde
Theater um die verschwundene Frau lenke nur von ihr
selbst ab, der künftigen Königin Hindustans, die schon
aufgrund ihrer Jugend und ihrer Bestimmung Mittelpunkt
der Phantasien ihrer Untergebenen sein sollte. Und Jodha, Königin Jodha, die allein in ihren Gemächern saß,
unbesucht von ihrem Schöpfer und König, begriff, dass
ihr die Ankunft der verschwiegenen Prinzessin eine imaginäre Rivalin bescherte, deren Macht sie vielleicht nicht
standhalten konnte.
Offenbar bedeutete Dame Schwarzauge vielen Menschen
alles Mögliche, sei sie ein Beispiel, eine Geliebte, Widersacherin oder Muse; in ihrer Abwesenheit wurde sie wie
ein Behältnis genutzt, in das die Menschen ihre Vorlieben schütteten, ihre Abneigungen, Vorurteile, Eigenarten,
Geheimnisse, Bedenken und Freuden, aber auch die nicht
verwirklichten Seiten ihrer Persönlichkeit, ihre Schatten,
ihre Unschuld und Schuld, ihre Zweifel und Gewissheiten, die großzügigsten und widerwilligsten Reaktionen
auf ihrem Weg durch die Welt. Und ihr Erzähler, Niccolo
Vespucci, der «Mogul der Liebe», der neue Günstling
des Herrschers, wurde rasch zum gefragtesten Gast der
Stadt. Am Tage standen ihm sämtliche Türen offen, und
bei Nacht war die begehrteste aller nur erdenklichen
Auszeichnungen eine Einladung zu seinem bevorzugten
Refugium, dem Haus Skanda, dessen beiden Königinnen,
der dürren und der dicken Doppelgottheit, es längst freistand, unter Sikris Großen und Mächtigen zu wählen.
Vespuccis monogame Beziehung zum knochigen, unermüdlichen Skelett Mohini fand man allgemein bewundernswert. «Die Hälfte der Damen Sikris würde Euch die
Hintertür öffnen», gestand sie ihm erstaunt. «Kann ich
denn wirklich alles sein, was Ihr begehrt?»
Beschwichtigend schloss er sie in seine Arme. «Du solltest wissen», sagte er, «dass ich den weiten Weg nicht
gekommen bin, um hier herumzuvögeln.»
Warum aber war er gekommen? Das war eine Frage, die
viele der klügsten Köpfe der Stadt wie auch einige ihrer
gehässigsten Geister beschäftigte. Das wachsende Interesse der Bürgerschaft an des fernen Florenz’ Trinkgelage
bei Tage und seinem sexbesessenen Nachtleben, das Mogor dell’Amore während lang an-dauernder Bankette in
aristokratischen Villen und nach einigen Gläsern Rum in
den Feierabendspelunken der niederen Stände schilderte,
weckte in manch einem den Verdacht, es handele sich
dabei um eine hedonistische Verschwörung, die jegliche
moralische Widerstandskraft des Volkes schwächen sowie die moralische Autorität des Einen Wahren Gottes
untergraben sollte. Badauni, der puritanische Anführer
der Wassertrinker und Mentor des immer rebellischer
werdenden Kronprinzen Salim, hasste Vespucci, seit er
mit dem Fremden im Zelt des Neuen Kultes aneinander
geraten war. Inzwischen hielt er ihn für ein Werkzeug
des Teufels. «Als hätte Euer zunehmend gottloser Vater
diesen satanischen Homunkulus heraufbeschworen, damit er ihm helfe, das Volk zu verderben», sagte er zu
Salim und fügte mit drohendem Unterton hinzu: «Es
muss etwas getan werden, falls denn jemand Manns genug ist, es zu tun.»
Prinz Salims Gründe für seine Allianz mit Badauni waren
allerdings bloß jugendlicher Natur, hatte er sich doch mit
Abul Fazls Gegner allein deshalb verbündet, weil Abul
Fazl der engste Vertraute seines Vaters war. Puritanismus
lag ihm fern, schließlich war er Sybarit in einem Maße,
das Badauni entsetzt hätte, wäre dem dünnen Mann denn
gestattet worden, darüber Bescheid zu wissen. Folglich
blieb Salim unbeeindruckt von Badaunis

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