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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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einmal ich Karla etwas erzählen und bin stolz darauf. Was macht Manninger mit dem Rest der Hühner? Für die Safransauce braucht er einiges an kräftiger Hühnersuppe, das ist mir klar. Aber was ist mit dem, was trotzdem übrig bleibt? Vielleicht Personalessen. Hier möchte ich kochen. Besonders beeindruckt bin ich von der Lammschulter mit Lammgelee. Das Gericht besteht aus nichts anderem als einem Stück perfekt rosa gebratener, butterweicher durchzogener Lammschulter auf einem heißen Teller, auf dem ein eiskalter kleiner Teller mit würfelig geschnittenem Gelee ist. Ich koste einen der Würfel, kühle Lammessenz, gesulztes Lamm, da ist mit Sicherheit kein einziges Blatt Gelatine dabei. Wie viel Lamm, wie viel Knochen vom Lamm braucht man, um diese Essenz zu bekommen?
    Manninger dreht eine Runde durchs Lokal und nimmt Huldigungen entgegen. Wenn ich geglaubt habe, er kann kein Russisch, dann habe ich mich getäuscht. Zumindest scheint er zu verstehen, was man ihm sagt, und er bedankt sich auf Russisch. Dann tatsächlich ein Gast, der nicht zufrieden zu sein scheint. Großer Mann mit hellen Haaren, hellblauem Sakko, Begleiterin in Versace-Kostüm, vielleicht auch Dior, aber sicher nichts unter dieser Kategorie. Manninger lacht verbindlich und klopft ihm auf die Schulter.
    »Was hat er gesagt?«, frage ich Karla. Ist hier sicher nicht ganz ungefährlich, die Gäste zu verärgern.
    »Warum sein Dessert noch immer nicht zu essen sei, er habe nicht so viel Zeit, um zu warten.«
    Wir sehen, dass vor den beiden auf großen Glastellern kleine dunkle Schokobomben liegen, garniert mit einem Chili. Die beiden starren sie an, als handle es sich um Explosionskörper, die hier und jetzt in die Luft gehen könnten. »Keine Ahnung, was das soll«, fügt Karla hinzu.
    »Zu euch komme ich später«, flüstert uns Manninger im Vorbeigehen zu.
    »Was ist mit den Schokobomben?«, fragt Karla und hält ihn fest.
    Manninger grinst. »Das Dessert habe ich mir extra für nervöse Russen ausgedacht. Drinnen ist Wodkasorbet, fast reiner Wodka. Darüber dunkle Schokolade mit Chili. Nachdem es serviert ist, muss man zehn Minuten warten, bis es die richtige Temperatur erreicht hat, dass man es essen kann. Vorher ist es einfach steinhart. Ich hab schon Gäste gehabt, die haben es gelutscht. Und welche, die fordern von mir, es essfertig auf den Tisch zu bringen. Ich weigere mich. Es ist einfach eine Bombe mit Zeitzünder. Und alle möchten trotzdem genau dieses Dessert.«
    Wir bekommen noch Kronfleisch vom Galloway-Rind mit Waldkaviar. Was »Waldkaviar« ist, habe ich mich schon im Flugzeug gefragt, jetzt erfahre ich es: ganz kleine, intensiv schmeckende Heidelbeeren, offenbar nur kurz mit Fleur de Sel, diesem einzigartigen groben Meersalz, und etwas Butter geschwenkt und lauwarm serviert.
    Der Abend wird lang, daran hat nicht nur meine zweite Portion vom Wodka im Schoko-Chili-Mantel Schuld. Manninger erzählt Erlebnisse aus dem » MO «. Ich bekomme eine Küche zu sehen, die eher einem futuristischen Labor gleicht. Groß und praktisch und hell und edelstahlglitzernd, Induktionsherd, modernste Technik, Flatscreens, auf denen jede Bewegung im Gastraum zu sehen ist.
    Schließlich sind auch die beiden Tellerwäscher weg, abgewaschen und geputzt muss immer und überall werden. Wir sitzen an einem recht gewöhnlichen Hotztisch am Rand der Küche, trinken etwas von diesem ganz besonderen Krimsekt, und ich bejuble noch einmal Manningers Essen. Wie das mit dem kalten Lammgelee funktioniere? Er lächelt: »Du machst aus Knochen, Sehnen und Fleischabschnitten einen möglichst perfekten Lammjus, also Fleisch, Knochen, Karotten, Zwiebel, Sellerie anrösten, mit Wasser aufgießen, einige frische Tomaten dazu, Pfefferkörner, Korianderkörner, bloß kein Salz.«
    Ich sehe ihn empört an. Also bitte, das weiß ich doch.
    »Sorry«, sagt Manninger, der meinen Blick gesehen hat. »Wenn der Jus auf ein Drittel reduziert ist, seihst du ihn wie üblich ab, lässt ihn gut durchkühlen, nimmst alles Fett weg. Dann stellst du ihn mit etwas Weißwein wieder zu, lässt ihn auf cirka die Hälfte einreduzieren. Gelierprobe: auf einen kleinen flachen Teller einen Esslöffel Jus, im Kühlschrank anziehen lassen. Dann weißt du, ob du noch etwas weiter reduzieren musst oder ob er schon fest genug ist.«
    »Ziemlich aufwendig«, sagt Karla, »aber köstlich.«
    »Wenn man sowieso Lammjus macht, gar nicht aufwendig«, erwidert Manninger. »Ich gebe zu, das Lammgelee ist mir

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