Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
lächle.
    »Darf ich dich begleiten?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Du, aber die Hütte, wo der Christof Guggenbauer ist, die ist nichts für dich. Da stehen die Männer drin und trinken Schnaps.«
    »Prost«, erwidere ich, trinke meinen Mojito aus und gehe Richtung Zimmer, um Jacke und Tasche zu holen.
    Die »Hütte« am Ortsrand sieht aus, als stünde sie schon hundert Jahre da oder noch länger. Kommt einem in Lech richtig seltsam vor. Ein Gebäude aus massiven Holzstämmen, nicht größer als acht mal acht Meter, ich sehe kein Fenster. Nur eine Tür. Ich drücke die Klinke, sie gibt nach, ich bin drin.
    Schlechtes gelbliches Licht. Hier schert sich keiner darum, dass in Gaststuben nicht geraucht werden soll, dicke Schwaden wie gelbe Giftwolken in der Luft. Zwei Tische. Eine Theke. Drei Männer an dem einen Tisch, sie spielen Karten. Ein Mann an dem anderen Tisch. Zwei Männer an der Theke, ein Mann mit weißen, halblangen Haaren und grüner Schürze hinter der Theke. Hier falle ich auf. Egal. Ich tue, als bemerkte ich nicht, dass ich angestarrt werde.
    »Was gibt es hier?«, frage ich.
    »Ausschließlich Selbstgebranntes«, antwortet der Wirt mit einem leisen Grinsen. Ich weiß nicht, was ihn so amüsiert. »Und selbstgemachten Most«, fügt er hinzu. »Aber keinen süßen.«
    »Haben Sie einen Trebernen? Einen Doppelten.«
    »Nein. Wächst bei uns nicht.«
    »Birne?«
    »Surabira, einer der Besten.«
    »Okay.« Ich warte, bis er mir den Schnaps einschenkt. Er tut es langsam, beinahe liebevoll. Nicht wegen mir, wegen dem Surabira. Das ist kein Doppelter, das ist ein Vierfacher. Locker. Ich will das Glas nehmen und mich an den Rand der Theke verziehen.
    »Gleich zahlen. Gilt für alle«, sagt er. »Vier Euro.«
    Nicht eben teuer für Arlberger Verhältnisse. Sommerpreise. Eingeborenenpreise. Trostpreise für die, die einen Grund haben, sich hier zu besaufen. Offenbar gibt es überall auf der Welt Menschen, die dafür ihre Gründe haben, selbst im noblen Lech. Ich schiebe ihm das Geld hin und sage nichts, auch ich kann einsilbig sein.
    Ich gehe endlich zum Rand der Theke hin und sehe mir die Männer näher an. Die drei spielen inzwischen wieder Karten. Die zwei an der Theke flüstern, kichern und glotzen her zu mir. Der Mann, der allein am Tisch sitzt, scheint mich von Anfang an nicht wahrgenommen zu haben. Er sitzt vornübergebeugt, vielleicht schläft er auch schon. Ich sehe noch einmal hin. Der Mann ist Guggenbauer, der umtriebige, freundliche Hotelier. Ich nehme einen Schluck. Der Schnaps ist ausgezeichnet. Ich sollte daran denken, dass ich noch nichts gegessen, sondern bloß einen auch nicht gerade schwachen Mojito getrunken habe. Ich nehme noch einen Schluck. Dann gehe ich die zwei Meter zum Tisch und setze mich neben Guggenbauer.
    »Guten Abend«, flüstere ich seinem Scheitel zu. Er reagiert nicht. Ich rüttle den Hotelier.
    »Lassen Sie ihn in Ruhe«, sagt der Wirt.
    Ich rüttle ihn noch einmal. Guggenbauer schreckt hoch, starrt mich an.
    »Ich weiß alles«, sage ich. »Kommen Sie.«
    Er steht auf und folgt mir, als hätte er auf mich gewartet. Vor dem Lokal sehe ich mich um. Guggenbauer ist betrunken, und wie. Er braucht Luft. Neben der Hütte führt ein Weg den Hang hinauf. Etwas Kondition wird er wohl noch haben.
    »Da hinauf«, dirigiere ich ihn. Er trabt vor mir her. Was habe ich vor? Dass wir uns ins Almgras setzen und plaudern? Es ist nicht gerade sommerlich warm hier, aber was soll’s, vielleicht macht ihn das feuchte Gras wenigstens wieder munter. Er geht so schnell, dass ich ihm kaum folgen kann, er ist schon gut zwanzig Meter vor mir. Nur noch ein schwarzer Schatten. Er wird noch kleiner. Ich kneife die Augen zusammen. Plötzlich bleibt er stehen. Ich keuche näher. Er hat sich auf eine Bank gesetzt. Von dieser Bank aus sieht man über ganz Lech und Oberlech. Einzelne Lichter, die wachen, während alles schläft. Bis zur nächsten Saison.
    »Sie haben Geld angelegt bei ›Direktinvest‹«, sage ich. »Warum haben Sie es nicht gleich gesagt?«
    »Damit alles weg ist?«, murmelt Guggenbauer. »Es hat nur noch eine Chance gegeben, etwas zurückzubekommen. Dolochow hat mich um alles betrogen, was ich gehabt hab. Mein ganzes Vermögen. Sachow wollte retten, was zu retten war.«
    »Er war doch mit dabei, von Anfang an«, sage ich.
    Der Hotelier starrt mich an. »Man klammert sich an jeden Strohhalm in so einer Situation.«
    »Es kann gut sein, dass er es war, der Dolochow auf dem Gewissen

Weitere Kostenlose Bücher