Russen kommen
und die letzten paar hundert Meter Richtung Zürs fahre. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir den mondänen, hell erleuchteten Skiort nicht bloß eingebildet habe. Ein paar vereinzelte Lichter, vielleicht sind es bloß Irrlichter, nicht mehr. Kein Mensch auf der Straße. Ich nehme den Weg hinauf zum »Sonnenhof«. Natürlich gibt es um diese Uhrzeit keine Bauarbeiten mehr. Ich parke mein Auto, es steht alleine auf dem Parkplatz, aber ich weiß, es gibt auch eine Garage. Ich steige aus, suche nach Licht, kein Licht im »Sonnenhof«. Ich gehe ums Hotel herum zur Baustelle. Seltsam. Kein Kran mehr. Keine Baumaschinen. Obwohl erst ein Teil der Mauern steht. Es kann doch nicht sein, dass die Guggenbauers ihren Ausbau unterbrochen haben und einfach weggefahren sind. Das macht keinen Sinn. Ich klopfe. Keine Antwort. Ich rufe von meinem Mobiltelefon aus an. Keine Antwort.
Ich bin müde und enttäuscht. Guggenbauer wird doch nicht wegen mir … weil er nicht reden will … Unsinn, Mira. Erstens weiß er nicht, dass du kommst, und zweitens: Die Baumaschinen räumt er sicher nicht weg wegen dir. Ich werde mir in Lech ein Zimmer nehmen.
Ich fahre die paar Kilometer hinunter nach Lech, kein einziges Auto ist auf der Straße. Seltsames Gefühl, als wäre hier alles zu Ende. Straße zwischen Bergschluchten.
Das meiste Licht in Lech stammt von den Straßenlaternen. Kaum Menschen unterwegs. Der Lärm von den Skibars im Freien fehlt, dieses Gegeneinanderantönen von volkstümlicher Musik, von Popmusik, von Chillout-Musik, ähnlich wie auf den Jahrmärkten meiner Kindheit, jeder Stand, jede Vergnügungsparkattraktion will mit Musik auf sich aufmerksam machen, bis am Ende alles ineinander klingt, man liebt es oder hasst es. Ich fahre auf den Parkplatz des ersten Hotels, das geöffnet zu sein scheint, und erschrecke: Fünf Sterne. Ob das »Magazin« das zahlen wird? Egal. Eine Nacht hier kann ich mir auch selbst leisten.
Ich bekomme ein wunderschönes Zimmer mit eigenem Whirlpool zu einem erstaunlich günstigen Preis und gehe hinunter an die Bar. Ein Drink, eine Kleinigkeit zu essen und morgen nach Zürs. Irgendjemanden werde ich schon finden, der mir sagen kann, wo die Guggenbauers geblieben sind.
Ich entschließe mich zu einem Mojito, seltsames Getränk in den Bergen, aber ich mag diese Mischung aus Zuckerrohrschnaps, Minze und Limetten. Und wenn er stark ist: nur gut so. Ich werde das Hotel heute nicht mehr verlassen. Ich sehe mich um. Es scheinen mehr Einheimische da zu sein als Gäste von auswärts. Nicht dass sie hier in alpenländischer Kostümierung, Lederhosen oder Ähnlichem, auftreten, es ist der Dialekt, der es verrät. Einer der Männer, Jeans, schwarzes Hemd, kommt zur Theke und bestellt bei Irmi, der Servierkraft, noch zwei Bier. »Ganz allein da?«, sagt er zu mir.
Ich habe schon fantasievollere Sprüche gehört. »Sehen Sie mich doppelt?«, antworte ich.
Er lacht. »Mir gefallen Frauen, die Humor haben«, sagt er in bemühtem Hochdeutsch.
Ich nehme noch einen Schluck und antworte: »Zürs hat leider zugesperrt. Ich wollte eigentlich zum ›Sonnenhof‹.«
»Zum Guggenbauer? Was wollen Sie von dem? Sie sind aber nicht von der Bank?«
»Warum von der Bank?«
»Wissen Sie es nicht?« Er beugt sich näher zu mir, ich kann riechen, dass er schon mehr als ein Bier getrunken hat. Ich mag Bier nicht. Durchhalten, Mira. Ich schüttle den Kopf.
»Die haben nicht mehr zahlen können. Die wollten ein Mordstrumm Sonnenterrasse dranbauen und ein Hallenbad, einen neuen Fitnessbereich, das brauchst du heute. Aber jetzt können sie nicht mehr zahlen. Jetzt steht alles still.«
»Warum? Sie haben doch gut verdient während der Saison, oder?«
»Schon, aber so ein Ausbau frisst viel, die haben sich übernommen. Tut mir leid für den Christof Guggenbauer, er ist ein netter Kerl. Sind nicht mehr alle so da heroben.«
»Und wo ist sie?«
»Die Hanni? Die ist in Wien, Geld auftreiben, die Banken beruhigen, das hab ich zumindest gehört. Die lässt ihn nicht im Stich, da kannst du sicher sein. Auch wenn die Leute reden. Das ist eine Cousine von mir, die kenn ich von klein auf, so eine ist die nicht.«
»Und er? Ist er mit?«
Mein Kavalier mit Biergeruch schüttelt traurig den Kopf. »Hinter der Pizzeria, da ist so eine Almhütte. Da wird er sein. Da war er jetzt meistens. Kennst du ihn besser?«
»Und die Pizzeria hat offen?«
»Ja, die hat offen. Willst du dort noch hin?«
»Ich hab noch nichts gegessen«, erwidere ich und
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