Russen kommen
Sie, ob er große Summen Geld im Haus aufbewahrt hat? Kann es sein, dass er große Beträge abgehoben hat?«
Sie runzelt die Stirn. »Er braucht mir nichts zu zahlen. Ich habe ihm sogar meine Hälfte des Reihenhauses geschenkt. Ich habe es ohnehin immer gehasst. Aber weil fast alle seiner Kollegen ein Haus haben, wollte er plötzlich zumindest ein Reihenhaus.«
»Mit Ihren beiden Gehältern, hätten Sie sich da nicht auch ein schöneres Haus kaufen können, eines, wie die Kollegen es haben?«, überlege ich.
Die Ärztin lächelt. »Das ist jetzt natürlich nichts für Ihre Story. Aber ich habe einen Bruder, der dauernd in Schwierigkeiten ist. Ich habe dummerweise für ihn gebürgt und hatte eine Zeit lang ziemliche Zahlungen. Auch etwas, das mir mein Mann vorgeworfen hat. – Große Summen Geld daheim … Was Geld angeht, ist er wirklich schrullig. Ich habe mir einmal eingebildet, er hätte Geld in einer seiner versperrten Schreibtischladen. Ich habe nicht nachgesehen. Jeder Mensch hat eine Privatsphäre, ich habe auch keine Ahnung, wie viel es gewesen sein kann. Ich verdiene mein eigenes Geld. Aber etwas anderes …« Sie runzelt die Stirn. »Ich möchte nicht in Ihrer Reportage vorkommen, und ich will auch nicht, dass ihm das schadet, was ich sage. Aber wahrscheinlich hat er sich wieder einmal in etwas verbohrt und es ist besser, das zu klären. Vor cirka einem Monat war er bei mir, wir hatten uns über ein Jahr nicht mehr gesehen, er hat mich um einen Kredit von dreihunderttausend Euro gebeten. Ich habe gefragt, wofür, er hat gesagt, das sei seine Sache. Ich habe ihm das Geld natürlich nicht gegeben.«
»Sie hätten es gehabt?«
»Ja, mein Vater ist letztes Jahr gestorben und hat mir einiges vermacht.«
»Irgendein Hinweis, hat er irgendeine Andeutung gemacht, wofür das Geld sein könnte?«, frage ich, obwohl alles genau zusammenpasst. Das war die Zeit, in der Dolochow den Investoren offenbar erklärt hat, dass ihr Projekt noch etwas mehr Geld brauche.
Die Ärztin schüttelt den Kopf. »Ich weiß nur, dass er sehr nervös war.«
Ich stehe auf, bedanke mich, ein neues Mosaiksteinchen, nicht mehr, nicht weniger.
»Ihre Arbeit hier ist nicht ganz einfach«, sage ich schon im Gehen.
Sie lächelt. »Es ist die Frage, was einen interessiert. Mich interessieren alte Menschen. Glauben Sie nicht, dass sie zu Kindern werden, wie es immer heißt, sie haben noch alles mit sich, was sie je gelernt und erlebt haben, sie ziehen sich bloß zurück. Manche mehr, manche weniger, manche früher, manche später. Vielleicht ist es auch ein Schutz.«
»Wie diese Maria?«
Frau Dr. Welser nickt. »Maria war übrigens eine der ersten Ärztinnen Österreichs. Jetzt ist sie siebenundneunzig, und man könnte sagen, dass immer noch etwas von ihrem unbeugsamen Willen durchkommt. Ich hab sie sehr gern.«
Wieder in der Redaktion, schicke ich Karla von Drochs Computer aus eine Mail:
Liebe Karla, hat sich Sonja schon gemeldet? Ich mache mir Sorgen um sie. Es stellt sich immer mehr heraus, dass sie die Wahrheit gesagt hat – ich habe nichts anderes vermutet. Jetzt bin ich dabei, Steinchen für Sternchen zusammenzusetzen. Leider geht mit den Behörden nichts weiter, aber bitte schreibe ihr, dass ich alles versuche. Ganz herzlich, Mira.
Droch versucht einen Termin beim Innenminister zu bekommen. »Besonders gut ist er auf mich aber momentan nicht zu sprechen. Mein letzter Kommentar war kaum das, was sich ein Minister wünscht«, fügt er hinzu. Außerdem sei ihm unklar, wie man Sonja so ohne Weiteres an den russischen Behörden vorbei nach Österreich schaffen könnte. »Ganz abgesehen von den diplomatischen Problemen danach.«
Ich überlege. »Es gibt doch Schlepper. Wie findet man die?«
Droch schaut strafend. »Das meinst du nicht ernst.«
»Ich weiß keinen anderen Weg.«
Mein Wertkartenhandy läutet. Das kann nur Vesna sein. Ich drücke den Empfangsknopf, gehe hinaus auf den Gang.
»Ich habe etwas erfahren. Flemming hat sein Haus verkauft. Ich habe mit seiner zweiten Frau geredet. War sicher ganz schön teuer, so mehr eine Luxusfrau, keine, die Boden putzt.«
»War?«, frage ich zurück.
»Sie hat ihn verlassen. Sie ist wütend auf ihn. Die Firma ist vor Konkurs, sagt sie. Mehr morgen. Ich komme mit Nachtzug. Flemming kennt Welser seit Jahren, sie treffen sich immer wieder zum Skifahren am Arlberg. Flemmings Frau Nummer zwei war lieber in der Karibik. Und weißt du, was Flemming getan hat, bevor er nach der Wende mit
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