Russen kommen
da, kommen erst zur nächsten Saison wieder, wenn überhaupt.«
»Und die Listen mit den Heli-Kunden wurden gestohlen«, ergänze ich. Irgendjemand muss vermutet haben, dass ich die Liste sehen will. Und er ist mir zuvorgekommen. Um selbst nachzusehen, wer auf der Liste steht? Um zu vertuschen, wer da mit den Russen gefahren ist? »Warum eigentlich fünf Heli-Aufträge und ein Privatskikurs?«, überlege ich weiter.
»Vielleicht weil Welser und diese Russen nicht so gute Skifahrer sind. Dann ist auch klar, dass sie bei keiner von den bestellten Heli-Touren mit dabei waren«, sagt die Blonde.
Soll ich ihnen raten, die Polizei zu verständigen? Könnte gut sein, dass dann mein Vorsprung dahin ist. Dass keiner der lokalen Ermittler einen guten Freund bei der lokalen Presse hat, ist so gut wie auszuschließen. Und wenn es Spuren gäbe? Fingerabdrücke? Fasern? Vergiss es. Die beiden Skilehrerinnen haben überall herumgewühlt. Und wenn der Dieb ein Profi war, hat er ohnehin keine offenkundigen Spuren hinterlassen. Sollen sie selbst entscheiden, wie sie mit dem Diebstahl umgehen.
Ich bedanke mich und gehe. Universitätsprofessor Welser. Gemeinsam mit zweien der Dolochow-Begleiter.
Die Straße ist schneefrei. Erst jetzt wird mir wieder bewusst, wie nass und kalt meine Füße sind. Ich sollte mir neue Schuhe kaufen. Das Sportmodengeschäft. Vielleicht gibt es etwas im Ausverkauf. Ich gehe die paar hundert Meter die Straße entlang, aber das Geschäft hat geschlossen. Für die nächsten paar Monate. Ich gehe eilig in Richtung Hotel. Vielleicht wird mir dabei wärmer. Es wird Zeit, aufzuhören. Ich schaue hinauf zu den Bergen. Ein leichter Wolkenschleier hat sich vor die Sonne gelegt. Mich fröstelt. Ich bin nicht mehr als ein Schneeball in all diesem Weiß. Aber richtig eingesetzt, kann so ein Schneeball zur Lawine werden.
Mira, er kann auch schmelzen. Das spielt keine Rolle aus der Perspektive der Berge. Es wird wieder schneien.
[ 6 ]
V omFlughafen aus rufe ich Vesna auf Janas Mobiltelefon an. So haben wir es vereinbart. Ich stehe in einer Telefonzelle. Vesna verspricht, die Namen der beiden Russen sofort zu überprüfen. »Man muss diesen Professor zuerst beobachten, observieren, damit er nicht gewarnt ist, dann erst mit ihm reden«, erklärt sie.
»Wir haben nicht viel Zeit. Jemand hat in der Skischule die Liste der Heli-Flüge geklaut. ›Direktinvest‹ hat fünf solche Flüge gebucht, das steht auf der Rechnung. Wenn Dolochow wirklich an der Aufklärung des Falles interessiert ist, dann hat er Zuckerbrot und dessen russischen Kollegen von der Sache am Arlberg erzählt. Vielleicht hat er aber auch selbst dafür gesorgt, dass die Liste verschwindet. – Was hat Oskar zu meinem Ausflug gesagt?«
»Er war sauer, er hat gesagt, er ist in seiner Wohnung und er nimmt Gismo mit. Wenn du nichts Besseres zu tun hast, du kannst kommen«, murmelt Vesna.
Klingt super. Als ich aus der Telefonzelle trete, sehe ich mich um. Verfolgt mich jemand? Schön langsam kriege ich Paranoia.
Ich bin in Oskars Wohnung, bevor er daheim ist. Nur Gismo empfängt mich. Ich habe daran gedacht und ihr am Flughafen Oliven gekauft. Wenigstens sie soll mich noch mögen. Ich wäre froh, wenn das auch bei Oskar so einfach zu bewerkstelligen wäre. Ein paar gute Happen, und er schnurrt wieder um mich herum wie Gismo jetzt. Ach, war das schön. Ich weiß nicht, was mich antreibt, nicht aufzuhören. Der Ehrgeiz, mit meiner Story allen anderen voraus zu sein? Besser zu sein als Zuckerbrot und die ganze russische Polizei? Die Wahrheit herauszufinden? Seltsamerweise habe ich das Gefühl, dass ich aus irgendeinem Grund auch Dolochow imponieren möchte. Dem Milliardär. Und vielleicht habe ich einen ausgeprägteren Jagdtrieb, als ich mir selbst eingestehen möchte. Midlife-Crisis. Das wäre auch eine Erklärung, Mira. Jetzt schon? Komm, Mädchen. Blick den Tatsachen ins Auge. Du bist fünfundvierzig.
Ich setze mich an Oskars Schreibtisch. Ich kritzle auf der Zeitung herum, die da liegt. Ich weiß nicht, ob ich etwas für Oskar kochen soll. Ich fühle mich fremd hier. Immer noch? Nur heute, beschwichtige ich mich. Ich suche nach Whiskey, aber der ist aus. Es ist zum Glück nicht so, dass mich Alkohol an sich trösten kann, nur Jameson kann es. Und der fehlt. Ich lege meinen Kopf auf die Schreibtischplatte aus Nussholz. Es sollte mir nicht zur Gewohnheit werden, überall einzuschlafen. Wirst du doch alt, Mira?
»Mira!«, ein erschrockener Schrei,
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