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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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bemüht sich wieder um professorale Milde. »Wenn es eine solche Liste wirklich gibt … Ich kann es nicht sagen. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Man hat wahrscheinlich ein seriöses Aushängeschild gesucht, um andere Investoren anzulocken. Wenn ein Universitätsprofessor dabei ist …«
    »Noch dazu ein Rechtswissenschaftler«, ergänze ich.
    »Hat sich nun dieser Dolochow für seinen Bruder ausgegeben, oder war der Tote doch der Oligarch?«, will der Professor wissen.
    »Die Polizei sagt, es war der Bruder.«
    »So etwas«, ruft Welser, »so ein Betrüger! Ich weiß, dass im Prospekt ›Boris Dolochow‹ gestanden ist!«
    Seine Aufregung kommt mir gespielt und übertrieben vor, noch dazu, wo er annehmen kann, dass mir das ohnehin bekannt ist.
    »Wer hat Sie eigentlich angesprochen?«, frage ich.
    »Lassen Sie mich überlegen … Ich weiß es nicht mehr … ja, ein Russe. Ich bin immer allein am Arlberg, da bekommt man häufig Kontakt mit anderen Männern, die auch alleine Ski fahren.«
    »Sachow?«
    »Ja, genau. Sie wissen wirklich eine Menge.« Zu Oskar gewandt: »Ihre Frau ist eine hervorragende Journalistin, nicht wahr? Leider lese ich das ›Magazin‹ kaum, ich komme einfach nicht dazu bei all den Fachpublikationen.«
    Wer’s glaubt, denke ich. Wenn der Typ auch nur am Rande mit ›Direktinvest‹ zu tun gehabt hat, dann hat er sicher meine Reportage gelesen. Oder lebt er tatsächlich in einer so anderen Welt? Einen Trumpf habe ich allerdings noch: »Seltsam bloß, dass Ihnen Dolochow einen Skitag gezahlt hat.«
    Welser starrt mich an. »Sicher nicht. Sicher nicht.«
    Ich lächle. »Er hat gezahlt, und Sie waren mit Sachow, mit der Russin Sonja – den Nachnamen habe ich vergessen – und mit Jürgen Flemming Ski fahren. Mit einem teuren Privatlehrer. Dafür, dass Sie mit der Sache von Anfang an nichts zu tun haben wollten …«
    »Ich weiß nicht, ob ich mir das …« Welser sieht Oskar empört an.
    »Mira …«, sagt Oskar.
    »Ich habe Beweise«, lächle ich sanft. »Es muss ja nicht viel dahinter sein, aber mich würde doch interessieren, wie es dazu gekommen ist.«
    Welser schweigt. Nach einer langen Pause: »Wenn ich gewusst hätte, dass das hier ein Verhör wird … Nun gut. Soviel ich weiß, hat die Firma ›Direktinvest‹ gezahlt. Die scheint ja nun wirklich genug Geld zu haben. Dieser Russe hat uns eingeladen, er hat gesagt, er gehe nicht gerne alleine Ski fahren und wir sollten doch mitkommen.«
    »Und die Russin war eine Draufgabe?«, frage ich. Der Professor geht mir zunehmend auf die Nerven. So naiv kann keiner sein.
    »Woran denken Sie?«
    »Ist ja nichts dabei, Sie leben von Ihrer Frau getrennt.«
    »Woran denken Sie?«, wiederholt er. Jetzt ist seine Stimme beinahe eine Oktave höher, so empört ist er. »Das war doch bloß eine Dolmetscherin. Der Russe konnte kaum Deutsch.«
    »Und Dolochow?«
    »Der schon gar nicht.«
    »Sie haben ihn also doch getroffen.«
    »Ich habe nie das Gegenteil behauptet. Ich bin ihm begegnet, ich gestehe«, er versucht ein spöttisches Gesicht. »Fünf Minuten an einer Schneebar, Zeugen sind rund hundert andere Besucher. Zufrieden?«
    »Und Jürgen Flemming?«
    »Was soll mit dem sein? Wir waren an diesem Tag eben gemeinsam Ski fahren. Ich glaube, er stammt aus der ehemaligen DDR .«
    Ich seufze. »Haben Sie eigentlich der Polizei von Ihrem Skiausflug erzählt?«
    »Nein, darauf wäre ich nicht gekommen, er war ja auch ganz unbedeutend. – Aber wo Sie es sagen: Das werde ich tun. Ja, das werde ich tun.« Zu Oskar gewandt: »Man kann sich die Menschen, mit denen man es zu tun bekommt, nicht immer aussuchen, nicht wahr?« Oskar nickt.
    Den Rest des Abends reden die beiden über gemeinsame Kollegen, über juristische Streitfälle und Uni-Gerüchte. Es ist so, als wäre ich nicht da. Ist mir auch lieber. Ich weiß nicht, was ich von diesem Professor halten soll. Wir verabschieden uns kühl, keiner wollte ein Dessert. Ich tröste mich damit, dass der Rechtshistoriker für Oskar beruflich nicht wichtig ist. Allerdings: Wenn er in der ganzen Branche herumerzählt, dass ich ihn verdächtigt habe, etwas mit dem Russen-Mord zu tun zu haben … Er wird es nicht tun, ist ja auch für ihn eher unangenehm.
    Daheim trinken Oskar und ich noch einen wunderbaren gereiften Trebernbrand aus dem Weinviertel, ich muss zugeben, er macht meinem Jameson harte Konkurrenz. Wir sitzen nebeneinander auf dem Sofa, zwischen uns Gismo, sie schnurrt und ist sichtlich zufrieden, dass wir

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