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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Rechtshistoriker braucht niemand ein lukratives Gutachten«, meint er und fährt sich durch den grauen Bart. »Dabei würde die historische Perspektive oft vieles klarmachen, aber das scheint allen zu weit hergeholt. Wir sind die Exoten, das weiß ich wohl.« Er lächelt mich an. »Wir gelten als wirklichkeitsfern, nur weil wir uns mit anderen Jahrhunderten beschäftigen. Aber worauf baut denn eine Rechtsordnung auf, wenn nicht auf der der früheren Jahrhunderte?«
    Ich nicke brav und nehme noch einen Schluck von meinem Sauvignon Blanc. Ich komme mir vor, als wäre ich wieder Studentin.
    »Enorm, wie viel für Rechtsgutachten gezahlt wird«, fährt er fort. »Ich kenne Kollegen, die wohnen in Villen, in denen man sich verirren kann. Einer hat sogar ein Boot, was sage ich, eine Jacht! Wirtschaftsrecht, darauf muss man sich spezialisieren, wenn man es zu etwas bringen will. – Nichts für ungut, Herr Kollege«, meint er zu Oskar.
    Oskar lächelt. »Nicht alle Gutachten bringen so viel Geld.«
    Der Professor schüttelt den Kopf. »Ich könnte Ihnen erzählen … Auch Verfassungsrecht wird immer einträglicher, wie sonst könnten gewisse politische Standpunkte untermauert werden? Und wer sagt, dass in solch einem Gutachten die Wahrheit stehen muss? Jene, für die am meisten gezahlt wird, sind die, in denen gelogen oder zumindest gebogen wird. Was sagt das über eine Gesellschaft aus? Derjenige verdient am meisten, der lügt?«
    »Ich kenne auch Verfassungsrechtler, die sich nicht kaufen lassen«, erwidere ich und denke an einen, der in den letzten Jahren wiederholt kritisiert hat, was die Regierung ohne besondere Rücksicht auf unsere Verfassung durchziehen wollte.
    Welser sieht mich wütend an. Widerspruch mag er offenbar gar nicht.
    »Aber dass manchmal die am meisten verdienen, die viel lügen, hat schon etwas«, füge ich beschwichtigend hinzu.
    Oskar wirft mir einen fragenden Blick zu und grinst dann.
    Der zweite Gang des Menüs, eine klare Zucchinisuppe mit gebackenen Zucchiniblüten, kommt. Die Zucchinisuppe schmeckt nach Wasser, die Blüten sind köstlich. Ich werde mich doch auf das Essen konzentrieren. Jetzt ist Professor Welser gerade beim Auto eines Kollegen angelangt. Bentley, wer brauche so etwas? Es gibt eben in jeder Branche Angeber, denke ich mir. Und solche, die neidisch sind. Dieser Welser scheint ganz schön neidisch zu sein. Meine Wunde schmerzt. Ich trinke noch einen Schluck Sauvignon. Bevor ich betrunken werde, sollte ich zur Sache kommen. Ich hole Luft.
    »Kann ja sein, dass Sie auch bald einen Bentley haben«, sage ich wenig diplomatisch. Professor Welser legt den Löffel, den er eben zum Mund führen wollte, wieder zurück in den Teller. Etwas von der dünnen Suppe spritzt auf sein Sakko. Er merkt es gar nicht. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie haben sich doch auch bei ›Direktinvest‹ beteiligt«, ergänze ich.
    Ich kann seine Miene nicht deuten. Er reißt die Augen auf. Aber »Direktinvest« ist ja auch inzwischen hinlänglich aus den Medien bekannt.
    »Wie kommen Sie darauf?«, sagt er langsam.
    Oskar sieht mich strafend an. Offenbar hat er nicht angenommen, dass ich so offensiv vorgehe.
    »Ich habe einen Prospekt mit den Projekten. Und ich weiß von einigen Beteiligten. Sie sind dabei und« – ich probiere es einfach – »Ihr Skifreund Jürgen Flemming auch. Und natürlich noch andere. Man hat sich am Arlberg getroffen. Auch der Hotelier vom ›Sonnenhof‹ ist gefragt worden.« Wer weiß, vielleicht hat er doch angebissen, egal was er mir erzählt hat. »Das hat ja nach Spitzengewinnen ausgesehen, aber leider ist dann der Mord an Dolochow passiert.« Ich mache eine Kunstpause.
    Welser sieht mich an, dann Oskar. »Ihre Frau hat eine blühende Fantasie.«
    »Ich weiß«, murmelt Oskar. Ihm ist das Ganze peinlich, und wie.
    Welser streicht mit der linken Hand über seinen grauen Bart. »Ja, ich bin angesprochen worden. Aber ich habe kein Interesse an so etwas. Davon verstehe ich nichts, ich bin ein Historiker, kein Spekulant. Und das mit Dolochow: sehr schlimm, wirklich sehr schlimm. Russenmafia, wenn Sie mich fragen, restriktive Einreisebestimmungen hätten schon etwas für sich. Was sich bei uns inzwischen alles herumtreibt … Ich habe mir dazu gratuliert, mich mit der Sache erst gar nicht näher beschäftigt zu haben.«
    »Und warum stehen Sie und Flemming dann auf einer Liste mit Investoren?«
    »Was soll das für eine Liste sein?«, kommt es scharf. Dann schüttelt Welser den Kopf,

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