Russen kommen
mit den schmalen Hüften an, sich eine »ordnungsgemäße« Verpackung zu besorgen, oder ihre diversen Flüssigkeiten und Gels blieben hier und würden »entsorgt«. Die Mädels beginnen eine Diskussion. Ich sehe auf die Uhr. Mir fällt etwas ein. Habe ich nicht noch ein zweites dieser vorschriftsmäßigen Säckchen? Ich habe meine Elektrozahnbürste darin eingepackt. Ich kapiere nicht, warum es für Elektrozahnbürsten keine passenden Reisehüllen gibt. Ich krame rasch danach und halte der jungen Blonden das Säckchen hin. »Hier«, sage ich, und sie sieht mich mit solcher Dankbarkeit an, dass ich mir richtig gut vorkomme. Ich finde es schön, von schönen Menschen gemocht zu werden.
Ich erreiche das Gate gerade, als der letzte Aufruf nach mir und noch vier anderen durch die Lautsprecher hallt. Das hat mir gerade noch gefehlt. Ein namentlicher Aufruf am Flughafen. Was, wenn Flemming nach mir sucht? Wie ein Verbrecher hat er allerdings nicht gerade gewirkt. Vielleicht hat er doch nicht so viel mit der Sache zu tun und wollte den Prospekt bloß sicherheitshalber entsorgen. Um keinen falschen Verdacht zu erwecken. Ein tüchtiger Unternehmer.
In Wien geht die Hetzerei weiter. Das Flugzeug hatte eine halbe Stunde Verspätung. Oskar kommt schon heute aus Bozen zurück, er glaubt, dass ich zu Hause bin, mein Dossier schreibe, ausspanne, nach einem neuen Reportagenthema suche. Die Versteckspielerei ist lächerlich. Er muss akzeptieren, dass ich recherchiere. Und dass ich bisher ganz gut selbst auf mich aufpassen konnte. Zumindest meistens. Was ist schon ein Ritzer im Oberarm? Trotzdem laufe ich quer durch den Flughafen zur Schnellbahn, kann gerade noch hineinspringen, bevor sich die Türen schließen, stehe keuchend im Passagierraum und suche nach einem Sitzplatz, als der Schaffner kommt und mir klar wird, dass ich keine Fahrkarte habe. Aber eine Streifenkarte des Verkehrsverbundes habe ich immer eingesteckt. Bloß muss man sie schon am Bahnsteig entwerten. Ich erlebe mit, wie der Schaffner genau das zwei Engländerinnen klarzumachen versucht. Als er zu mir kommt, hole ich Luft und halte ihm meine Karte hin. »You speak German? Deutsch?«, fragt er. Ich schüttle verzweifelt den Kopf. Er seufzt und entwertet mir, ohne zu diskutieren, zwei Zonen.
Ich bin vor Oskar in meiner Wohnung. Gismo begrüßt mich begeistert, ich war nicht so lange weg, als dass sie ihr übliches Beleidigtsein-Spielchen aufführen müsste. Seit gestern früh hat allerdings niemand mehr nach ihr gesehen. Auch die extragroße Schüssel mit Trockenfutter ist längst leer. Ich öffne rasch eine Dose Hühnerragout mit Erbsen – als ob eine Katze Erbsen brauchen würde –, sie fällt darüber her. Wenn sie hungrig ist, ist sie gar nicht wählerisch. Üblicherweise sortiert sie jede Erbse aus, heute werden sie mitgefressen. Wenn ich so tue, als wäre ich die ganze Zeit über zu Hause gewesen, dann sollte ich ganz rasch meine Tasche auspacken und verstauen. Und irgendetwas kochen. Etwas, das schnell geht. Das nach mehr aussieht, als es ist. Was habe ich daheim? Ich öffne meinen Tiefkühlschrank.
Fleisch auftauen dauert zu lange. Meeresfrüchtelaibchen. Auf Tomaten-Orangen-Sauce mit Muscheln. Ich nehme dünne gefrorene Fischfilets heraus, eine Packung geschälte Tiefseeshrimps, vakuumierte vorgekochte Miesmuscheln. Wenn man sie in kaltes Wasser legt, sind sie in zehn Minuten angetaut.
Ich schneide die gefrorenen Fischfilets – es handelt sich bloß um Seehecht, aber das macht nichts – mit meinem großen Messer in grobe Würfel, gebe sie gemeinsam mit dem Großteil der Shrimps in meinen Cutter. Der hat zum Glück Kraft. Er kann das Meeresgetier auch in gefrorenem Zustand pürieren. Ein Ei in die kalte pürierte Masse, fein geschnittene Jungzwiebel, Piment, Chili, Salz, etwas Ketchup. Noch einmal mixen. Das Ganze ist zu weich, ich rühre zwei Löffel Semmelbrösel unter. Laibchen formen. Ich sehe auf die Uhr: hat kaum fünf Minuten gedauert.
Zum Glück habe ich fast immer ein, zwei Packungen pürierte Tomaten daheim. Ich röste Zwiebel und Knoblauch hell an, schütte die Tomatensauce darüber, dazu etwas vom gefrorenen dicken Orangensaftkonzentrat. Es wird nie ganz hart, also kann man genug Flüssigkeit mit einem Löffel herauskratzen und den Rest gleich wieder tiefkühlen. Salzen. Auf meinem winzigen Balkon stehen Töpfe mit den wichtigsten Kräutern. Ich nehme Thymian und einen Rosmarinzweig, gebe sie in die Sauce. Zuckern. Ganz wenig Hot Sauce
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