Russen kommen
der Nähe genommen. Es ist zwar nicht besonders komfortabel, außerdem werden bestimmte Räume auch immer wieder stundenweise vergeben, hat mir Vesna erzählt, aber es ist billig. Die Versicherung hätte wahrscheinlich ein etwas besseres Hotel bezahlt, doch Vesna will in ihrer Umgebung und in der Nähe ihrer Zwillinge bleiben.
Wenn ich bloß weitere Namen von Investoren hätte. Vesna forscht bei den Heli-Skilehrern nach, mit wem sie Ski gefahren sind. Gar nicht so einfach, sie im Sommer aufzutreiben. Die Befragung des ersten Skilehrers war ein Flop. Unsere Russen kannte er nicht. Und wenn sie bloß Investoren eingeladen haben, aber selbst nicht mitgefahren sind, ist es ohne Unterlagen schwer, eine Verbindung herzustellen. Man müsste bei Welser und bei Flemming, am besten auch bei Guggenbauer prüfen, ob sie in letzter Zeit große Beträge von ihren Konten abgehoben haben. Bankgeheimnis, Mira. Außerdem: Das haben die Leute von Zuckerbrot wohl schon längst routinemäßig gemacht. Und was, wenn doch nicht? Ich habe ihre Namen nicht genannt, ob Welser von sich aus zur Polizei gegangen ist? Wer weiß es? Schlimm, dass ich den Kontakt zu Zuckerbrot so ganz verloren habe. Fran, unser Computerspezialist. Vielleicht kann er auf verschlungenen Wegen im Cyberspace an die Bankkonten herankommen. Was verlange ich da? Dass er sich in die geheimen Computerdateien von Banken hackt? Das ist kein Kavaliersdelikt, darauf steht Gefängnis.
Ich werde nach Moskau fliegen. So schnell wie möglich. Es ist unsere einzige Chance, herauszufinden, wo Sachow und der Fahrer oder Leibwächter und diese Sonja geblieben sind. Karla Seefeld, die Russland-Expertin mit den hervorragenden Kontakten. Ob sie mir hilft? Bringe ich sie damit in Gefahr? Dann habe ich immer noch Manninger. Der kann zwar nicht einmal Russisch – ich auch nicht, fällt mir ein aber sein Lokal ist Angelpunkt des schicken Moskau. Ich muss raus hier. Man hat uns »Grüße aus Moskau« geschickt. Jetzt will ich von Moskau aus grüßen. Die erste Grußbotschaft, jene, die beim ermordeten Dolochow gefunden wurde, war in kyrillischer Schrift und auf Russisch. Die an uns waren auf Deutsch. Lässt sich daraus etwas ableiten? Entweder wir haben es mit einem Schreiber zu tun, der beide Sprachen kann. Oder es handelt sich um unterschiedliche Schreiber. Von der ersten Botschaft konnte ja jeder im »Magazin« lesen.
Ich gehe in Drochs Büro hinüber. Keiner da. Ich will nicht über meinen eigenen Computer einen Flug nach Moskau suchen. Für alle Fälle. Wenn schon alles überwacht wird. Ich gehe zum Büro des Chefredakteurs. Er sieht mich aufmerksam an.
»Du willst das wirklich?«, fragt er und sieht besorgt drein.
Sie sollen sich nicht alle Sorgen um mich machen, ich mache mir Sorgen genug.
»Ja«, erwidere ich. »Wenn das ›Magazin‹ die Reise nicht zahlen kann, fahre ich privat.«
»Wenn du eine Story mitbringst aus Moskau, dann zahlen wir«, stellt Klaus Feldner klar. »Im anderen Fall … werden wir sehen, ich werde es probieren. Ist dir eigentlich klar, dass du ein Visum für Moskau brauchst?«
Das habe ich verdrängt. Vergessen. »Wie lange dauert das?«
Klaus Feldner wiegt den Kopf. »Die haben die Bestimmungen gerade erst wieder verschärft. Weiß ich von einem TV -Korrespondenten-Freund. Es dauert jetzt zehn Tage. Vielleicht geht es schneller, wenn dich die österreichische Botschaft in Moskau offiziell einlädt. Genau weiß ich das allerdings nicht.«
Und wenn die Botschaft meinen Besuch routinemäßig an die Polizeibehörden weitergibt? Ich schüttle den Kopf. »Es sollen so wenig Menschen wie möglich wissen, dass ich in Moskau bin.«
»Die russische Botschaft wird jedenfalls davon erfahren«, gibt er zu bedenken. »Und die haben mit dem Dolochow-Fall zu tun.«
»So bekannt bin ich auch wieder nicht. Die Visa-Abteilung ist eine ganz andere als die für Polizeiaufgaben.«
»Schon. Aber der Fall könnte wichtig genug sein, dass alle zusammenarbeiten.«
»Zehn Tage. Das ist eine sehr lange Zeit«, überlege ich.
»Vielleicht gar nicht schlecht, wenn du dir etwas Zeit lässt«, erwidert mein Chefredakteur,
Ich reagiere misstrauisch. Seit wann ist es gut, wenn »Magazin«-Recherchen länger brauchen? Will auch er mich von der Russen-Sache weghaben?
Klaus redet weiter. »Jemanden, der dich einlädt, brauchst du übrigens trotzdem. Oder du gehst in ein Hotel. Getarnt in einer Reisegruppe.«
Gemeinsam suchen wir im Internet nach einer passenden Gruppenreise, aber
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