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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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ich dir versprochen habe. Ich hab auch gar nicht vor, mich um den Mord an Dolochow zu kümmern, aber unser Chefredakteur hat gemeint, es wäre gut, eine Hintergrundstory über Oligarchen und russische Wirtschaftsbeziehungen zu Österreich zu machen. Ich bin bei Karla Seefeld, der Russland-Expertin, untergebracht, sie ist eine alte Freundin von Droch, ich werde sie interviewen, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Das ist einfach alles ins Rollen gekommen.«
    Oskar wendet sich zum Kellner. Ich habe ihn gar nicht kommen sehen. Er zahlt.
    »Gehen wir«, sagt er und geht voraus.
    Erst auf der Straße hole ich ihn wieder ein. Das Lokal ist nicht weit von seiner Wohnung entfernt.
    »Einfach ins Rollen gekommen«, spottet er böse. »Du hast vor Tagen ein Visum beantragen müssen, du hast einen Flug buchen müssen, du hast kein Wort darüber erzählt.«
    »Weil ich gewusst habe, dass du wütend wirst«, sage ich in einem möglichst beschwichtigenden Tonfall. »Aber du brauchst dir …«
    »Was ich brauche, weiß ich selbst«, zischt er mir zu.
    Ich werde wütend. Ich bin kein Kind, das darum betteln muss, nach Moskau fliegen zu dürfen. Ich bin eine angesehene Journalistin. Ich will herausfinden, was hinter dem Mord an Dolochow steckt. Trotzdem sage ich nichts.
    »Seit dieser Chefredakteur da ist, bist du völlig übergeschnappt«, sagt Oskar, ohne mich anzusehen.
    »Was hat denn der damit zu tun?« Ich schreie es fast. Ich sollte vorsichtig sein. Leise. Niemand soll wissen, dass ich nach Moskau fliege.
    »Mit ihm hast du dir das Ganze ausgedacht. Kommt Vesna auch mit?«, knurrt Oskar. So böse habe ich ihn noch nie erlebt.
    »Nein.«
    Wir gehen schweigend nebeneinander her.
    »Eigentlich wollten wir zu mir«, sage ich.
    »Ich möchte heim«, sagt Oskar. »Es interessiert dich ohnehin nicht, was ich denke.«
    »Natürlich«, flehe ich, »das weißt du doch, aber du musst auch verstehen, dass ich bei meinem Beruf …«
    »Deinem Beruf? Du bist Journalistin, nicht Polizistin, nicht Privatdetektivin.«
    »Es weiß so gut wie niemand, dass ich nach Moskau fliege.« Ich versuche, ruhig zu reden, meine Lautstärke zu dämpfen. »Sie glauben, dass ich in irgendein steirisches Thermenhotel fahre, einige Tage ausspannen. Sollte dich jemand fragen, dann sag das bitte. Dass ich ein paar Tage Ruhe haben möchte, was du gut verstehen könntest.«
    Oskar packt mich an der Schulter. »Wach auf, Mira. Das Einzige, was in diesem Fall real ist, ist ein Toter, der zuvor gefoltert wurde. Und dessen Mördern du aus irgendeinem Grund näher kommen möchtest.« Er starrt mich an. »Du stornierst deinen Flug. Wenn nicht, sind wir geschiedene Leute.«
    Ich schüttle seinen Arm ab. »Ich lasse mir nichts befehlen«, zische ich. »Wenn du nicht verstehen willst, ist das dein Problem.« Ich gehe davon Richtung U-Bahn, ich remple ein älteres Paar an, das unvermittelt aus einer Seitengasse gekommen ist, und entschuldige mich nicht einmal dafür, ich renne los, keine Tränen, Mira, keine Tränen. Es ist mein Leben. Und das hat er immer gewusst. Wer ist er, dass er mir befehlen kann hierzubleiben?
    Gismo. Ich gehe in der Wohnung herum, rastlos, sinnlos, meine Schildpattkatze verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Das macht sie doch sonst nicht. Gefüttert habe ich sie längst. Ausgiebig und sogar mit Hühnerkrägen, die sie so gerne mag. »Sonst sind wir geschiedene Leute.« Drohen lasse ich mir von niemandem. Was glaubt er? Dass er immer seine Meinung durchsetzen muss? Ich packe meine Tasche, nehme so wenig wie möglich mit. Lieber nur leichtes Gepäck. Dafür beide Telefone. Meine kleine Digitalkamera. Was hast du vor, Mira? Das wird keine Sightseeingtour. Oder doch? Und dafür lässt du Oskar sausen? »Geschiedene Leute.« Heißt das, dass er sich scheiden lässt? »Geschiedene Leute«, das sagt man bloß so.
    Ich packe den Hosenanzug wieder aus und Jeans ein. Ich habe nicht vor, ins russische Ballett zu gehen. Oder in die Oper. In meine Handtasche stopfe ich eine Garnitur Unterwäsche extra. Wer weiß. Dann nehme ich sie wieder heraus. Unsinn. Es ist halb drei in der Nacht. Ich packe die Unterwäsche in eine Leinentragtasche und gebe sie wieder in die Handtasche. Habe ich Oskar jemals dreingeredet, was er tun darf und was nicht? Nein. Dabei hätte es gute Gründe gegeben. Ich denke an seine Anwakskollegin in der Frankfurter Partnerkanzlei, die später auch noch nach Wien übersiedelt ist. Frankfurter Hotelzimmer, sie in lila Unterwäsche. Jahre her,

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