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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Lese. Nächste Seite. Was war das? Ich blättere zurück, merke, dass ich nichts vom Text wahrgenommen habe. Da ist eine Reportage über die »Top-Spots« von Moskau. Und wer kommt vor? Manninger, Mit dem » MO «. Kurzes Interview, kurzer Lebenslauf, seine Philosophie des »puren Geschmacks« und dann ein Auszug aus der Speisekarte:
    Mit Zitronenverbena marinierter Butterfisch
    Hühneraustern auf Safransauce
    Rosa Lammschulter mit kaltem Lammgelee
    Kronfleisch vom Galloway mit Waldkaviar.
    Und der Hinweis, dass das » MO « nicht eben billig sei.
    Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Und kein Russen-Fall der Welt kann daran etwas ändern.

[  9  ]
    F lughafen Domodedowo.Ganz neu. Hell. Viel Glas. International. Die Shops unterscheiden sich in nichts von denen in Westeuropa. Ich schaue mich um, weniger nach potenziellen Verfolgern, als um alles in mich aufzunehmen. Immer wenn ich aus einem Flugzeug steige, bin ich euphorisiert. Vielleicht bloß, weil ich überlebt habe. Ausgang. Zum Glück nicht nur in kyrillischer Schrift angeschrieben. »Exit.« Ich eile weiter. Ich bin eine halbe Stunde später dran als geplant. Passkontrolle. Ein freundlicher junger Russe. »Ganz neuer Pass?«, sagt er auf Englisch. Ich nicke und erwidere, der alte sei mir gestohlen worden. Die Stichwunde am Oberarm ist fast verheilt. Kein Verband mehr notwendig, nur ein Pflaster. Er blättert zum Visum, sieht mich noch einmal an. Das war es. Ich bin durch. Offiziell in Russland eingereist.
    Karla Seefeld soll gleich nach der Zollkontrolle auf mich warten. Ich hoffe, ich erkenne sie. Ich kenne sie vom Fernsehen. Eine temperamentvolle Frau mit dunklen kurzen Locken. Sie muss um die sechzig sein. Im Fernsehen hat sie jünger ausgesehen, aber wenn sie gemeinsam mit Droch zu arbeiten begonnen hat … Ich sehe mich um. Sie hätte ein Schild mit meinem Namen mitbringen sollen. Nein, nur nicht. Ich erinnere mich wieder daran, dass ich nicht auf Urlaubsreise bin. Zumindest nicht ausschließlich. Ich werde es locker nehmen, mir auch die Stadt ansehen. Und ich werde Oskar eine entsprechende SMS schicken. Was soll passieren? Ich werde das Wertkartentelefon benutzen. Oskar hat mir bis jetzt nicht geantwortet.
    Eine zierliche Frau in Jeans kommt auf mich zu. Das kann nicht Karla Seefeld sein, oder doch?
    »Mira Valensky?«, fragt sie, und als ich nicke, küsst sie mich auf beide Wangen. »Drochs Freunde sind auch meine Freunde.«
    Sie wirkt zehn Jahre jünger, als ich sie mir vorgestellt habe, und deutlich attraktiver.
    Wenig später brausen wir in ihrem alten Lada Niva vom Flughafen Richtung Stadt. Dreißig Kilometer, und schon seien wir am Moskauer Gürtel, erklärt sie mir. Viel versteht man hier drinnen nicht, sie fährt das arme alte Auto so hochtourig, dass ich mich beherrschen muss, um nicht in die Gangschaltung zu greifen. Und sie erzählt hochtourig. Abwechselnd Anekdoten über das schreckliche, großartige Leben in Moskau, über Droch als ganz jungen Reporter, über die scheußliche Riesenkirche, an der wir gerade vorbeifahren. Die habe man erst in den letzten Jahren wieder aufgebaut.
    »Die Russen, das musst du dir merken, sind die Weltmeister im Kitsch«, erklärt Karla. »Nenn mich Karla, wie schön, dich hier zu haben, Mira.«
    Vier Spuren in die eine, vier Spuren in die andere Richtung. Der Verkehr nimmt zu, bald bewegen wir uns nur noch im Schritttempo weiter, ich mit offenem Mund, als könnte ich so besser sehen. Scheußliche staubige Siedlungen, braun-grau und braun-weiß, aber an welcher Stadtausfahrt gibt es die nicht? Luxusautos neben solchen, die jeden Moment auseinanderzufallen drohen. Plakatwände mit Werbung für Fluglinien, für Coca-Cola. Ich hätte zumindest versuchen sollen, die kyrillischen Schriftzeichen zu lernen. Es ist deprimierend, wenn man nicht einmal buchstabieren kann, was auf den Tafeln steht.
    »Hast du im Flieger etwas gegessen?«, fragt Karla. »Ich habe ein ausgiebiges Mittagessen gehabt, aber ich bin schon wieder hungrig. Du wirst müde sein, ich schlage vor, wir essen bei mir, du kannst das Gästezimmer beziehen, und wenn du Lust hast, können wir danach ja noch ausgehen.«
    Was hat Droch Karla erzählt? Dass ich auf Urlaubsreise bin, dass ich mich ins Moskauleben stürzen möchte?
    Karlas Wohnung liegt am Rande der Altstadt. Ein großer, hoher, kastenartiger Block mit vielen internationalen Aufschriften. Sie fährt auf ein Gittertor zu. Ein rundgesichtiger Wachmann sieht aus einem kleinen Häuschen. Karla

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