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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Mann war groß, schlank, Ende vierzig, schwarzes dichtes Haar«, ergänze ich.
    »Nein. Er war eher rundlich. Und sicher noch keine vierzig.«
    Kann in diesem Fall nichts einfach gehen? »Haben Sie mit Dolochow darüber gesprochen?«
    »Ich … Wir hatten nicht so viel Zeit bei unserem Treffen, es ging ja um die Kapelle. Außerdem wüsste ich bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit ihm. Besser, er investiert etwas von seinem Geld hier als ich bei ihm in Russland, man weiß bei den russischen Machtverhältnissen ja nie …«
    Ich werde zunehmend aufgeregt: »Aber Sie haben ihn nach ›Direktinvest‹ gefragt.«
    »Ja, er hat mich seltsam angesehen, so als ob ihm das gar nicht recht wäre. Ich glaube, er hat mich gefragt, woher ich die Information hätte, und ich habe ihm vom Prospekt erzählt und dass er darauf zu sehen sei. Aber Genaueres wusste ich nicht mehr, ich habe den Prospekt ja nicht behalten, man bekommt immer häufiger irgendwelche Aufforderungen, sich zu beteiligen, irgendwo zu investieren.«
    »Wann haben Sie sich mit Dolochow getroffen?«
    »Moment, das kann ich Ihnen genau sagen … Ich sehe nach … Das war am 12. März.«
    »Also vor dem Arlberg.«
    »Natürlich.«
    »Hat Dolochow sonst noch etwas zur Firma ›Direktinvest‹ gesagt?«
    »Nur dass das für mich ohnehin keine geeignete Investition sei. Habe ich ja auch so gesehen. Und, jetzt erinnere ich mich, das ist mir damals seltsam vorgekommen: Wer mit mir denn darüber gesprochen habe. Ich dachte mir damals, er muss doch seine Leute kennen. Aber wenn ich Ihre Reportagen richtig gelesen habe, dann war es ja sein Bruder, der hinter ›Direktinvest‹ gesteckt hat.«
    »Sieht zumindest so aus«, sage ich und bedanke mich.
    Ich starre auf mein Telefon. Wertkartentelefon. Reines Glück, ich hätte jeden Apparat genommen, um mit Sorger zu telefonieren. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er so Wichtiges zu erzählen hat.
    Dolochow hat mir gegenüber so getan, als hätte er erst durch meine Reportage von »Direktinvest« erfahren. Das war eine glatte Lüge. Er wusste bereits mehr als einen Monat früher Bescheid. Falls die Firma seinem Bruder gehört hat: Warum hat er ihm nicht verboten, seinen Namen zu verwenden? Oder hat er es ohnehin versucht? Mit den bekannten Folgen? Ich muss mir das Gespräch mit Dolochow noch einmal ansehen. Die Brandbombe bei Vesna. Sollten damit auch die Videoaufzeichnungen vernichtet werden? Da hätten sie sich aber lange Zeit gelassen, beruhige ich mich.
    In meiner Reportage kann ich das, was mir Sorger gesagt hat, nicht schreiben. Oder bin ich Dolochow gegenüber viel zu feige? Nennen wir es Taktik. Und es soll ja auch so aussehen, als würde ich das Thema abschließen. Ich schicke einen Fotografen zum Bauplatz der Kapelle. Er kommt mit Fotos und der Information zurück, dass die Bauarbeiter ständig irgendwelche Medienleute am Hals haben. Zwei Journalisten sollen seit Tagen auf der Lauer liegen, nur für den Fall, dass Dolochow auftaucht.
    Ich fasse zusammen, was ich weiß. Die Story liest sich jedenfalls spannend. Und ich schließe mit dem Hinweis, dass das »Magazin« weiter sehr genau beobachten werde, ob die österreichischen Polizeibehörden tatsächlich an der Aufklärung des Falles arbeiten oder ob es in erster Linie darum geht, die guten Geschäftsbeziehungen zwischen Österreich und Russland zu schützen.
    Oskar glaubt mir nun, dass ich mich vom Russen-Fall verabschiedet habe. Ich glaube es ja selbst schon fast. Wäre da nicht Vesna, die Welser weiterhin beobachtet. Mit dem einzigen Erfolg allerdings, dass jetzt nicht nur ihr Halilovi c auf Valentin Freytag eifersüchtig ist, sondern auch Valentin Freytag auf den Unbekannten, mit dem sie offenbar so viel Zeit verbringt.
    Im nächsten Heft bringe ich eine kleine Fortsetzung meiner Klimawandel- und Autobahn-Geschichte von vor einigen Wochen. Wie lange das her zu sein scheint. Die beiden toten Russen auf der Brünner Straße. Dramatische Gerüchte rundum. Und ein Reh, das mit ihnen gestorben ist.
    Per Zufall habe ich einen Exminister getroffen, einen der ganz wenigen, die ich immer gemocht habe und denen ich vertraue. Er hat mir erzählt, dass es schon zu seiner Zeit Pläne für eine Nordautobahn gegeben habe. Allerdings hätten Gutachten klargemacht, dass sie unnötig sei. Viel besser, die Autobahnspange über Bratislava zu nützen und das Geld in den Ausbau der Bahnstrecke zu investieren. Er hat mich angelächelt und die Mundwinkel etwas nach unten gezogen.

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