Russen kommen
brauche das Okay allerdings bis morgen früh.«
Droch starrt mich an. Ich habe keine Ahnung, was er denkt. Ich habe ein mulmiges Gefühl. Vielleicht habe ich den Bogen überspannt. Dann sagt er: »Ohne Aufsicht lass ich dich sowieso nicht in Moskau. Aber wehe, wenn du Karla mit hineinziehst.«
Ich habe den Prospekt einer Firma, von der außer dieser schönen Broschüre nichts zu existieren scheint. Ich habe drei Leute, die alle beteuern, nicht bei dieser Firma investiert zu haben. Ich habe drei verschwundene Russen: Sachow, Sonja Rostowjewa, den Chauffeur mit der Goldkette. Ach ja, eigentlich sind es vier: seine blond gefärbte Begleiterin. Aber die tut wohl wenig zur Sache. Und ich habe zwei Seiten im »Magazin« zu füllen. Natürlich werde ich Teile des Prospekts abdrucken. Und schreiben, dass er bei einem der mutmaßlichen Investoren aufgetaucht ist. Mira allein … Genau so fühle ich mich, nicht allein gegen die Russenmafia, wie Droch gestern gespottet hat, sondern einfach allein. Ich brauche irgendeine Geschichte am Rande. Irgendein Interview. Russischer Geheimdienstmann, der erzählt, was in Österreich so alles läuft. Das wäre dann fast so schlimm wie das »Blatt«. Sie haben vor ein paar Tagen einen angeblichen russischen Gangster interviewt, er durfte über die Russenmafia in Wien erzählen. Aufschneider aus dem Prater-Milieu. Für mich aber auch ein gutes Zeichen: Das »Blatt« tappt, trotz seiner sonst hervorragenden Kontakte zur Polizei, mindestens so im Dunkeln wie ich.
Idee: Ich könnte Sorger anrufen und fragen, ob die Kapelle für Dolochows Großvater schon wächst.
Diesmal erreiche ich ihn sofort. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass Dolochow das Projekt nach dem Mord an seinem Zwillingsbruder gestoppt, zumindest verschoben hat. Aber Sorger erzählt, dass eifrig gebaut werde, das Fundament stehe schon. »Ich bin mit Dolochow in ständigem Kontakt«, berichtet er stolz.
»War er noch einmal hier?«
»Nein, das nicht. Aber ich schicke ihm Berichte über den Baufortschritt per E-Mail in sein Büro. Er ist sehr zufrieden.«
»Wissen Sie, wann er das nächste Mal kommt?«
Sorger scheint etwas einzufallen. »Ich sollte eigentlich gar nicht … Nein, kann ich nicht sagen, leider.«
»Er hat gesagt, dass Sie nicht mit Medien über das Projekt sprechen sollen, nicht wahr?«, sage ich freundlich.
»Nicht in dieser Form, es ist bloß so, dass er keinen besonderen Wert darauf legt, dass darüber etwas gebracht wird. Dabei ist es doch gut für sein Image.«
»Ein Russe mit Familiensinn.«
»Genau das. Und der denen verziehen hat, die seinen Großvater getötet haben.«
»Die sind doch auch alle längst tot.«
»Sie haben Nachkommen. Es gibt Idioten, für die ist immer noch Krieg.«
»Inwiefern?«
»Das ist jetzt nicht zum Schreiben: Sie haben das Fundament beschmiert.«
»Was??«
»›Russe, hau ab‹, haben sie draufgeschrieben.«
»Haben Sie das Dolochow erzählt?«
»Nein. Wir haben darübergemalt.«
»Haben Sie versucht herauszufinden, wer es war?«
»Besser, man kümmert sich nicht darum.«
Vergiss es, Mira. Doch da fällt mir noch etwas ein: Ich habe Sorger nie nach »Direktinvest« gefragt, nur nach den Russen im »Zirben«. Probieren kann ich es ja wenigstens.
»Sagt Ihnen der Name ›Direktinvest‹ etwas?«
Schweigen. Dann antwortet er langsam: »Sie haben ihn im ›Magazin‹ erwähnt.«
»Sie haben schon früher von ›Direktinvest‹ gehört, nicht wahr?«
Wieder Schweigen. »Ich habe meinem Freund Dolochow versprochen, nicht mit den Medien über seine Angelegenheiten zu reden.«
»Aber das hat ja nichts mit der Kapelle zu tun. Und ich werde Sie nicht erwähnen.« Das ist ihm zwar üblicherweise gar nicht recht, aber in diesem Fall …
»Also gut. Ich habe von ›Direktinvest‹ gehört. Ein Deutscher hat mich darauf angesprochen, dass das eine hervorragende Möglichkeit wäre, zu investieren.«
»Am Arlberg? Wie hat er geheißen?«
»Nein, nicht am Arlberg, schon vor einigen Monaten. In Wien. Bei einer Party der Wirtschaftskammer. Ich weiß es nicht mehr. Es war ein Gespräch an der Bar.«
»Und? Haben Sie investiert?«
»Nein. Er hat mir so einen Prospekt gezeigt, auf dem Dolochow abgebildet war. Ich habe mir gedacht, da kann ich doch Dolochow selbst fragen und brauche keine Unterhändler. Es war, kurz nachdem mich Dolochow wegen dem Bauplatz für die Kapelle kontaktiert hat. Außerdem mag ich keine Immobiliengeschäfte, schon gar nicht im Ausland.«
»Der
Weitere Kostenlose Bücher