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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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davon, dass Sonja in Österreich war. Ihre Tochter hat ihr eigentlich alles erzählt – das bilden sich Eltern allerdings gerne ein –, jedenfalls sagt sie, Sonja habe immer wieder Dolmetschaufträge angenommen, um ihr Gehalt aufzubessern. Sie hat an der Moskauer Universität gearbeitet, als Assistentin am Deutschinstitut.«
    »Und da wohnt sie mit ihrer Mutter in dieser winzigen Wohnung?«
    »Als Uni-Assistentin verdienst du hier cirka dreihundert Dollar im Monat.«
    Karla und Ludmilla auf Russisch, Karla auf Deutsch: »Ich habe sie gefragt, ob sie sich vorstellen kann, dass Sonjas Auftraggeber auf Geheimhaltung bestanden hat. Sie hat geantwortet, dass sich Sonja nie im Leben in krumme Angelegenheiten verwickeln lassen würde.«
    Ludmilla nickt, als sie »Sonja« hört und bekreuzigt sich.
    Wie klein die Wohnung ist, sehen wir, als uns Ludmilla in das Zimmer hinter der Küche bittet. Wohnzimmer mit höchstens zwölf Quadratmetern, eine Bank, die wohl auch als Bett zu verwenden ist, ein niedriger Tisch davor, ein Einbauschrank, der auch von einem der schlechteren Möbelhäuser Österreichs stammen könnte. Im Eck ein Fernseher, Modell aus den Achtzigerjahren, ein Poster irgendeiner berühmten Ikone hinter Glas.
    »Und wo lebt Sonja, wenn sie da ist?« Ich frage es Karla, sie fragt weiter. Ich hätte die kleine schmale Tür hinter dem Kleiderständer fast übersehen. Zimmer in Abstellraumgröße ohne Fenster. Ein schmales Bett, ein schmaler Kasten, zwei offene Regale, eine Stereoanlage mit CD -Player. Nicht einmal ein Schreibtisch passt hinein. Das eine Regal ist so ausgeräumt, dass man das Brett in der entsprechenden Höhe als Ersatztisch verwenden kann.
    Ludmilla hat nichts dagegen, dass wir das Zimmer durchsuchen. Der Sicherheitsdienst habe es auch schon gemacht. Die Miliz? Nein, die nicht. Soviel sie wisse, hätten die zwei Leute vom Sicherheitsdienst aber nichts mitgenommen.
    Es dauert nicht lange, bis wir alles durchgesehen haben. Einige ganz schicke Kleidungsstücke, ansonsten Uni-Unterlagen, russische Kriminalromane, Modeschmuck, Musik- CD s, die keine besondere Vorliebe erkennen lassen. Pop, Best of Classic, zwei Jazz- CD s.
    »Ist ihre Tochter öfter ins Ausland gefahren?«, frage ich Karla. Ja, immer wieder, sie sei als Dolmetscherin sehr gut gewesen, lautet die Antwort. Warum sie dann nicht nur als Dolmetscherin gearbeitet habe? Vorteile durch einen staatlichen Job, das sei doch etwas Festes, gut, wenn man Behörden brauche, meint Ludmilla. Karla fügt leise hinzu: »Das war früher so, aber jetzt zählt nur noch das Geld.«
    Ludmilla beschreibt die beiden Männer, die von dem Sicherheitsdienst gekommen sind. Keine Beschreibung passt auf Sachow oder den Chauffeur mit der Goldkette. Und Ludmilla ist sicher, zwei solche Männer hier auch nicht gesehen zu haben. Ich zeige ihr ein Bild von Dolochow. Karla fragt sie etwas, Ludmilla lacht. Ich sehe Karla an. »Ich habe sie gefragt, ob sie Dolochow schon einmal gesehen hat. Sie hatte keine Ahnung, wer das ist. Ich hab ihr gesagt, ein Oligarch. ›Und Sie glauben, dass ich so jemanden kenne?‹, hat sie gesagt.« Weiter. Nein, einen festen Freund habe Sonja zurzeit nicht. Freundinnen? Das ja. Wir bekommen die Adressen von drei Freundinnen, aber bei denen habe sie natürlich selbst auch schon nachgefragt, sagt Ludmilla. Auch sie haben von Sonja wochenlang nichts gehört und nichts gesehen.
    Als wir schon in der Tür stehen, packt mich Ludmilla am Arm. Was sie jetzt sagt, verstehe sogar ich. Ich soll ihre Tochter finden.
    Am Abend führt mich Karla in ein Restaurant am Patriarchenteich. Altrussischer Charme, elegant gedeckte runde Tische, überdimensionale Speisekarten. Vor allem die Pelmeni, die sibirischen gefüllten Teigtaschen, sind ein Gedicht. »Da können alle Chinesen und Italiener einpacken«, schwärme ich. Sie werden in einem hohen Keramikgefäß angerichtet, ganz heiß, nur mit etwas Pilzfond und geschmolzenem Käse.
    Karla ist beunruhigt. »Auch in Moskau verschwinden Menschen nicht einfach so. Und junge Frauen mit einer festen Anstellung schon gar nicht.« Ihr scheint klar zu werden, dass ich nicht bloß einem Hirngespinst hinterherjage. Es kann nur zwei plausible Erklärungen geben, warum Sonja verschwunden ist, darin sind wir uns einig: Entweder ist Sonja in die Machenschaften von »Direktinvest« verwickelt und hat mit dem Tod von Dolochow zu tun, vielleicht auch mit den Warnungen an Vesna und mich. Sie musste untertauchen, damit die Behörden

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