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Russendisko

Titel: Russendisko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer,Wladimir
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und machte Diana einen Heiratsantrag. Ihm war bewusst, dass dies eine riskante Sache war, da er das Mädchen kaum kannte. Doch bei sich in Spandau hatte er ständig einen Nachbarn vor Augen, einen Bauingenieur, der eine tschechische Prostituierte geheiratet hatte und bei dem alles hervorragend lief. Diana lehnte jedoch Franks Angebot zunächst ab. Sie war noch sehr jung, wollte erst einmal anständig Geld verdienen und dann später vielleicht eine Familie gründen. Der Laden, in dem sie jeden Tag Anschaffen ging, lief jedoch nicht gut. Der Bordellbesitzer war hoffnungslos in eines seiner Mädchen verliebt. Sie wurde ständig schwanger, hatte aber für den Mann nicht viel übrig. Dem Bordellbesitzer verging langsam die Lust am Leben, er betrank sich täglich und magerte ab. Daraufhin versuchten die anderen Mädchen ihn zu trösten - und wurden ebenfalls schwanger. Das Bordell verwandelte sich in eine Beziehungskiste.
    Eines Tages verschwand der Besitzer und ließ die Frauen allein. Das Bordell wurde geschlossen. Diana rief in ihrer Verzweiflung die einzigen Stammkunden an, die sie hatte: zuerst den Manager vom Tränenpalast, dann den Lüftungstechniker. Schließlich kreuzte sie bei ihm in Spandau auf. Diesmal ging sie auf sein Heiratsangebot ein. Der Lüftungstechniker ließ sich für eine Woche krankschreiben und nahm bei der Noris-Bank einen Kredit über DM 5000,- auf. Dann fuhren beide nach Goziki in Weißrussland, um dort zu heiraten. Hier wurde Frank sofort mit den wilden weißrussischen Sitten konfrontiert. Noch auf dem Bahnhof klaute man ihnen das Gepäck. Die Brautjungfern beschuldigten Diana des Heimatverrats und schlugen ihr ein blaues Auge. Frank wurde ebenfalls von einigen Einheimischen aus patriotischen Gründen angegriffen. Danach wurden jedoch alle gute Freunde. Die Hochzeit fand im größten Saal des Dorfes statt, der Sporthalle der Grundschule. Frank kaufte fünf Kisten Wodka für die Männer und fünf Kisten Portwein für die Frauen. Das Fest dauerte zwei Tage und wäre noch weitergegangen, wenn Dianas Vater nicht alles versaut hätte. Er ging vor lauter Freude betrunken an den Goziki-Fluss, um ein Bad zu nehmen - und kam nicht wieder. Einen ganzen Tag lang bemühte man sich, seine Leiche aus dem Fluss zu bergen. Unmerklich ging die Hochzeit in ein Begräbnis über. Danach fuhren die Neuvermählten nach Berlin zurück. Diana wurde an der deutsch-polnischen Grenze angehalten. Es stellte sich heraus, dass sie ein Einreiseverbot in die Schengenstaaten hatte, wegen ihres früheren gefälschten polnischen Passes. Frank musste alleine weiterfahren. Jeden Tag rief er bei der Ausländerbehörde an. Er schrieb ans Auswärtige Amt, an den Bundeskanzler, an die Familienministerin und an den Obersten Gerichtshof. Nach zwei Monaten hatte er das Unmögliche geschafft: Die sonst unbesiegbare Behördenmaschinerie gab ihrer Liebe nach, das Einreiseverbot für Diana wurde
    aufgehoben, und jetzt ist sie bereits wieder in Berlin. Was lehrt uns diese Geschichte? Dass Goethe doch Recht hatte und die Liebe immer noch stärker als alles Andere ist.
    Das M ä dchen und die Hexen
    Selbst heute noch schätzen viele materialistisch eingestellten Menschen metaphysische Erklärungen, weil sie in Dingen, die andere unangenehm oder verächtlich finden, etwas höchst Bedeutungsvolles sehen. Wenn einer mit sich unzufrieden ist, denkt er gleich, das Bett muss in eine andere Ecke gestellt werden, oder die Ausländer sind schuld oder sogar Außerirdische. Sich nicht selbst verantwortlich fühlen und alles zugleich interessant finden, dieses Gefühl verdanken wir der Metaphysik. Man sucht nach einem Wunder zur Lösung aller Konflikte, nach einer augenblicklichen und endgültigen Errettung.
    Als unsere russische Freundin Marina plötzlich von ihrem Mann verlassen wurde, weil er sich nach zehn Jahren Ehe in eine Ballerina verknallt hatte, erlitt sie einen Schock. Die Welt ging unter, sie verlor zusehends an Gewicht und konnte nicht mehr richtig schlafen. Wir fanden die Geschichte ziemlich komisch, denn seit Ewigkeiten hatte Marina die Kulturlosigkeit ihres Mannes bekämpft. Er saß immer nur zu Hause vor dem Fernseher und zeigte keinerlei Interesse am intellektuellen öffentlichen Leben. Und was passierte? Der Kerl gab irgendwann nach, ging ins Ballett und fiel prompt auf die erste Tänzerin herein, die er in seinem Leben gesehen hatte. Man hätte die Reaktion eines 45-jährigen Mannes, der vorher noch nie eine Ballerina aus der Nähe

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