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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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dem Schlafengehen wollte sie mit dem Hund noch mal raus – wundern Sie sich übrigens nicht, wenn Sie in einen dieser gigantischen Haufen treten! Sophie scheint der Meinung zu sein, die Absonderungen ihres Lieblings seien der reine Naturdünger.«
    »Gab es – Fremdeinwirkung?«
    »Ein Messer in der Brust oder so etwas? Nein. Er sah ganz friedlich aus.« Alma wirkte wenig erschüttert. »Sie hat übrigens getobt und geschrien und behauptet, Sie hätten Leo für gesund erklärt.«
    »War er auch.« So ein großer Kerl stirbt nicht gleich, wenn er mal eine Schlaftablette verschlingt. Oder? Sie wischte ihre Selbstzweifel fort. »Es tut mir zwar leid, aber –«
    Alma nickte. »Sie können nichts dafür.«
    In der Tat. Leos Tod war erstens nicht zu ändern und zweitens nicht ihr Hauptproblem. »Ich habe eine Bitte. Ich muß zu einer Kundin.«
    »Nennt man das so bei Ihnen? Nicht Patientin?« Alma runzelte die Stirn.
    »Ich würde mir gern Ihr Fahrrad leihen – sonst bin ich nicht rechtzeitig da.«
    » Mein Fahrrad?« Alma sah an sich hinunter. »Sehe ich so aus?«
    »Es steht eins beim Stall.« Katalina wäre fast ungeduldig geworden, wenn ihr nicht aufgefallen wäre, daß Alma sich von ihren üblichen einsamen Klientinnen nur durch eines unterschied: sie hatte kein Schoßtier als Vorwand.
    »Ach das«, sagte Alma. »Bedienen Sie sich.«
    Katalina dankte und war schon bei der Tür, als Alma leise ihren Namen rief. Sie drehte sich um.
    »Kommen Sie heute abend zum Essen?«
    Sie nickte und zog behutsam die Tür hinter sich zu.
     
    Liao war ein sehr stilvoller Hund. Katalina horchte ihn ab, schaute sich Zahnfleisch und Zunge an, suchte im seidig gestriegelten Fell nach Zecken oder anderem Ungeziefer und versuchte gar nicht erst, ihm ein Thermometer in den Hintern zu schieben. Sie gab sich mehr Mühe als sonst, der Fall Leo saß ihr in den Knochen. Aber es half nichts: das Tier war in bester Verfassung.
    Frau Werner nickte, so, als ob sie es immer schon gewußt hätte. »Ich wollte nur wissen, ob Sie was von Ihrer Arbeit verstehen.«
    Katalina atmete tief ein und zählte bis drei.
    »Dr. Gotsky machte keine Hausbesuche und roch schon mittags nach Alkohol. Liao mochte ihn nicht.«
    Verstehe, dachte Katalina. Und jetzt möchten Sie meine Zeit verschwenden. Sie griff in den Koffer, nach dem Quittungsblock.
    »Und wenn Sie einer alten Frau verzeihen mögen –«
    Katalina schaute auf. Frau Werner hatte zu lächeln begonnen, was ihr Gesicht völlig veränderte.
    »Ich wollte wissen, wer Sie sind. Wer freiwillig in diese weltabgeschiedene Gegend kommt, in der wir alle nur bleiben, weil wir hier immer schon gewohnt haben. Oder weil uns niemand sonst haben wollte.« Das Lächeln wurde tiefer. »Wer sich traut, oben aufs Schloß zu ziehen. Und wer das ist, dem es gelungen ist, meine alte Freundin Mariechen Weber für Tage aus der Ruhe zu bringen.«
    Katalina hatte keine Ahnung, von wem die Rede war.
    »Bäckerei Weber. Sie ist die Seniorchefin. Mariechen war fünfzehn, als sie nach Blanckenburg kam. Sie sprach kein vernünftiges Deutsch und war völlig verstört. Ich war das einzige der Mädchen, das mit ihr befreundet sein mochte.« Frau Werner guckte wie die Klassenbeste. »Meine Eltern hielten nichts von Vorurteilen.«
    War das ein mehr oder weniger feinfühliger Hinweis darauf, daß die Menschen in Blanckenburg vor einer Tierärztin mit ausländischem Nachnamen zurückschrecken könnten? Bislang hatte Katalina nichts davon gespürt.
    Frau Werner rückte einen Stuhl vom Tisch ab. Wie auf Befehl setzte sie sich. Die alte Dame stellte eine Karaffe mit einer bernsteingelben Flüssigkeit auf den Tisch und zwei fingerlange, schmale Gläser, die alt aussahen und kostbar.
    »Erzählen Sie.« Frau Werner goß ein. Sie hoben einander die Gläser entgegen. Katalina nippte nur am Sherry. Der Tropfen sank wie eine warme Wolke hinunter in ihren Magen.
    »Was gibt es da zu erzählen?«
    »Kindchen! Wann Sie weg sind aus Jugoslawien! Wie Sie das erlebt haben, das ganze Gemetzel!« Frau Werner schüttelte sich theatralisch.
    »Ich bin schon Anfang der achtziger Jahre in den Westen geflüchtet.« Sie zeichnete mit dem Zeigefinger das Muster auf der Tischdecke nach. Was ging es die alte Dame an, daß sie 1991 zurückgekehrt war und mehr von dem »ganzen Gemetzel« mitgekriegt hatte, als ihr lieb war? »Ich bin hier. Ich versuche nicht mehr daran zu denken.« Dann sah sie auf und der Frau ins Gesicht. Die lächelte noch immer. Es war ein

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