Russisch Blut
eingespeist und das Eigenpotential an den beiden Potentialelektroden bestimmt.«
»Das ist – sehr interessant.«
Moritz überhörte ihren Spott. »Wir haben mittlerweile die phantastischsten Methoden zur Verfügung. Da ist zum Beispiel –«
Zeus, der zufrieden zu ihrer beiden Füße gesessen hatte, so, als ob er eine glückliche Ehe gestiftet hätte, gab Laut.
Ein Mann näherte sich, mit langem lockigen Haar und offenem weißen Hemd über der Jeans. Er trug eine Fernsehkamera über der Schulter. Daneben marschierte eine Blondine, die schon von weitem winkte.
»Das Fernsehen«, sagte Rust feierlich. Während er seine Mitarbeiter vorstellte – Maria und Inge, Mark und Gunnar, »und die kleine Noa vom Schloß« –, brachte der Lockenkopf die Kamera in Position.
Der Professor reagierte aufs Fernsehen und auf die Blonde wie auf eine Wahrheitsdroge. »Die Kelten … die frühe Bronzezeit –« Die Fernsehfrau nickte bei jedem seiner Worte.
»Römische Kohorten … schon Drusus oder Tiberius … die Horden der Cherusker –«
Katalina bewunderte den Mut, mit dem sich die Redakteurin schließlich in den Redeschwall des Professors warf. »Hatten Sie nicht gesagt, die Varusschlacht –?«
»Die deutsche Nationallegende … große Bedeutung … touristische Attraktion –«
»Ich meine: Was genau suchen Sie hier bei Schloß Blanckenburg, besser gesagt – was wollen Sie finden?«
Rust straffte sich. »Ja, spüren Sie nicht den Atem der Geschichte, der über dieses Stückchen Land hinweggeht?« Endlich schien er begriffen zu haben, was die Frau wollte, die selig lächelte.
Als er eine Atempause einlegte, drehte die Blonde sich um. Niemand hatte damit gerechnet, vor allem nicht Noa, als sie ihr das lange Mikrofon mit dem knallgelben Schoner unter die Nase hielt. »Und was sagen Sie als Schloßbewohnerin zu all diesen Plänen?«
Noa plapperte nach einer Schrecksekunde und einem Seitenblick auf Mark Kennedy fröhlich los. Das Mädchen machte eine gute Figur. Nur eines fiel Katalina auf, weil Noa sich ein ums andere Mal die Haare hinters Ohr strich: der rote Nagellack auf ihren Fingernägeln war verschmiert. Ihre Nägel sahen aus, als ob sie jemanden umgebracht hätte.
Endlich hatte sie Zeus, der nicht verstehen wollte, warum man nicht einfach da bleiben durfte bei all den netten Menschen und vor allem bei Moritz Bergen, überredet, mit ihr nach Hause zu kommen. Aber sie interessierte sich im Moment weder für die Vergangenheit noch für Brunnen und Schächte und komplizierte Forschungsmethoden. Die Gegenwart stellte ein wesentlich wichtigeres Problem dar: ihre Tage in Blanc kenburg waren offenbar gezählt, früher als erwartet. Seltsamerweise bedauerte sie das.
Kurz bevor sie ging, hatte die Bürgermeisterin sie gestern noch beiseite genommen und ihr bestätigt, was die Frau des Klempners angedeutet hatte: aus der Renovierung der Tierarztpraxis wurde erstmal nichts, weil der Vermieter ihr nicht zustimmen wollte, solange »die Eigentumsfrage« nicht geklärt sei.
»Er ist ein alter Mann, wissen Sie. Da wird man sturköpfig.«
»Aber was ist denn ungeklärt an den Besitzverhältnissen?« Fünfzehn Jahre nach der Wende mußte hier doch mal Klarheit eingekehrt sein.
»Gar nichts.« Die Bürgermeisterin lächelte beschwichtigend. Ein falsches Lächeln, hatte Katalina gedacht. »Es gab einen Bericht in der Zeitung, den er zu wörtlich genommen hat, das ist alles.«
»Und – worum ging es da?« Sture alte Männer waren ein Kreuz.
»Sie wissen doch –«
Das sagen Politiker immer, wenn sie nicht weiter wissen. Nichts wußte Katalina. Und sie bemühte sich, genauso auch zu gucken.
Die Bürgermeisterin seufzte. »Seit der Europäische Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Enteignungen nach 1945 wieder in Frage gestellt hat, sind hier alle nervös.«
»Und, was meinen Sie: Gibt es Grund dafür?«
»Ach was. Man kann doch nicht alles wieder zunichte machen, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Das kann doch niemand wollen.« Das Gesicht der Bürgermeisterin zeigte jedoch, daß sie »denen da oben« jede Dummheit zutraute.
»Und was mache ich jetzt mit meiner Praxis?« Eine Übernahme wäre das einfachste gewesen. Die Adresse war bekannt, das Haus lag zentral. Andererseits konnte es nicht weiter schwierig sein, irgendwo anders geeignete Räume zu finden – es standen so viele Häuser leer in Blanckenburg.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Wir finden eine Lösung.« Die Bürgermeisterin hatte ihr die
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