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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Hand vertraulich auf den Unterarm gelegt und kurz zugedrückt. Dann war sie gegangen.

5
    Es hatte in der Nacht geregnet. Jetzt waren die Wolken verschwunden. Die Bombe platzte in einen klaren blauen Himmel.
    Während Liao-Wangtai von Aasenheim Katalina mit Würde und Zurückhaltung empfing, begrüßte Frau Werner sie fast atemlos, mit leuchtenden Augen und mit der Frage, die alle Klatschbasen der Welt als erstes stellten: »Haben Sie es schon gehört?«
    Hatte sie nicht. Natürlich nicht. Sonst hätte sie der guten Frau Werner ja den ganzen Spaß verdorben.
    In der Wohnhalle lag die Zeitung ausgebreitet auf dem Couchtisch. »Die erste Seite im Lokalteil. Ich hab’ es immer schon gesagt: da stimmt was nicht, bei denen da oben.« Die alte Dame machte eine bezeichnende Handbewegung Richtung Schloß.
    Katalina setzte sich und ließ sich einen Kaffee eingießen.
    »Wenn ich nur nicht zum Bridgeabend gemußt hätte, gestern! Sie haben es schon im Vorabendfernsehen gebracht. Kindermund tut Wahrheit kund. Kinder und Narren! Hab’ ich immer schon gesagt.«
    Frau Werner schüttelte begeistert den Kopf, während Katalina sich über den Zeitungsbericht beugte.
    »Die Raubritter sind zurück«, lautete die Überschrift im Lokalteil der »Brockenzeitung«. Untertitel: »Wie man sich an der Geschichte bereichert«. Im Ton der Empörung schilderte der Autor die Bemühungen der Frankens, auf dem Markt der geschichtlichen Sensationen ihr Schnäppchen zu machen. Kronzeuge: die Tochter der Besitzer, die in die Fernsehkamera gesagt habe: »Wenn hier was gefunden wird, irgendwas Römisches oder Keltisches, kriegen wir Geld vom Staat, wir und die Gemeinde. Mit so einer archäologischen Sensation kann man ganz schön Kohle machen, und irgendwas findet man immer. Und wenn man selbst was Passendes vergräbt.«
    Katalina wäre fast in lautes Gelächter ausgebrochen. Das war alles ein bißchen verkürzt, aber Noa hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Stimmung auf Almas Soiree hatte zeitweise einem Goldgräberlager alle Ehre gemacht.
    Im Rest des Artikels wurden offenbar altgediente Konflikte ausgetragen. Noa – das »Kind« – habe nur ausgesprochen, was Schloßbewohner und Gemeinde heimlich ausgekungelt hätten. Dort schrecke man auch vor Betrug nicht zurück, um sich an unrecht Gut zu bereichern. Die dubiosen Geschäfte der Bürgermeisterin seien in der »Brockenzeitung« ja schon vor einiger Zeit aufgedeckt worden. Nun verbünde sie sich mit Dahergelaufenen, denen das wertvollste Kulturgut Blanckenburgs für Gotteslohn zugeschustert worden sei und die nicht daran dächten, es zu erhalten und zu pflegen.
    Der Artikel endete mit der Frage, was denn der Graf zu alledem sagen würde. »Der Erbe von Schloß Blanckenburg, Gregor v. Hartenfels, ist im Jahre 2000 vom Verwaltungsgericht abschlägig beschieden worden, als er die Rückgabe seines 1945 unrechtmäßig konfiszierten Grund und Bodens forderte. Nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfte dieser Bescheid keinen Bestand haben. Es wäre der Gemeinde zu wünschen, daß der Graf das nächste Mal erfolgreich ist – wenn wir verhindern wollen, daß wir immer wieder das Opfer von Glücksrittern, Betrügern und Scharlatanen werden.«
    Katalina sah auf in das erwartungsvolle Gesicht der Werner. »Was sagen Sie nun?«
    Was sollte sie sagen? Ihr tat Noa leid. Sie hatte in aller Naivität eine komplizierte Angelegenheit auf den einfachsten Nenner gebracht. So, wie es nun in der Zeitung stand, ließ es die Frankens als Betrüger und Halunken erscheinen und gab Klara Buddensen im nachhinein recht. Andererseits: wenn nicht bald etwas geschah, konnte man das Kulturgut Schloß Blanckenburg abschreiben. Alma hatte es wenigstens mit einer praktischen Lösung versucht, auch wenn sie eindeutig ihre dubiosen Seiten hatte, um es vorsichtig zu formulieren.
    Aber worauf warteten die anderen Schloßbewohner? Plötzlich fiel ihr wieder ein, was sie gehört hatte, damals an einem ihrer ersten Tage in Blanckenburg, als sie Sophie und Alex beim Flirten im Pferdestall erwischte. »Wenn er nur endlich reden würde«, hatte Sophie gesagt und von einem Deal gesprochen. Von einem Deal mit einem Mann, der krank ist und 84 Jahre alt wird. Der simuliert.
    Sie ahnte langsam, wer gemeint war: Noas Patient oben im Turmflügel. Und sie wußte, daß Sophie recht hatte: der alte Herr simulierte. Anders konnte sie sich seine Reaktion bei ihrem gestrigen Besuch nicht erklären.
    Als sie die Tür

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